Klimaneuzeit – träumen erlaubt


Unsere Martina hatte die Ehre, zur Teilnahme am Projekt „Klimaneuzeit – die 24h-Challenge“ gemeinsam mit 49 anderen Personen aus der Steiermark aus über 500 Bewerbungen ausgewählt worden zu sein. Die Challenge fand am 3. und 4. März statt und hier berichtet sie über die beiden Tage.

Am 3. und 4. März 2022 fand das Bürger:innenbeteiligungsprojekt „Klimaneuzeit – die 24h-Challenge“ in Graz statt. Um mich persönlich voll auf diese 24-Stunden-Challenge einzulassen, habe ich mein Handy ausgeschaltet und kein einziges Foto gemacht (Anm.: ich bin Fotografin und habe Social Media-Kanäle). Ich empfand es als große Ehre, aber habe auch eine große Verantwortung gespürt, da sich für dieses Projekt über 500 Leute beworben haben und nur 50 ausgewählt wurden. Diese 50 Personen sollten aus möglichst unterschiedlichen Lebensrealitäten kommen, um die steirische Bevölkerung ideal zu repräsentieren. Die Zukunftsbilder sowie die daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen, die während der Challenge entstanden sind, sollen als Kompass für Entscheidungsträger*innen wirken und so in der Klima- und Energiestrategie Steiermark 2030 Eingang finden.

Freitag, 3. März 2022

Zwischen 14 und 15:30 Uhr trafen sämtliche Teilnehmer:innen im altehrwürdigen Gebäude der Uni Graz ein. Schnell komme ich mit verschiedenen Leuten ins Gespräch und freue mich auf die gemeinsame Arbeit. Um 16:15 Uhr fällt nach kurzer Begrüßung vom Klimaneuzeit-Team und von Landesrätin Ursula Lackner der Startschuss und wir betreten gemeinsam den großen Saal, in dem ansonsten der Festakt für Sponsions- und Promotionsfeiern genutzt wird (erzählt mir ein anderer Teilnehmer). Der Raum wurde mit Vogelgezwitscher im Hintergrund beschallt und durch die paradiesischen Bilder hoch oben an den Wänden fühlte es sich bei mir tatsächlich wie ein Eintritt in eine Traumwelt an. Rund um den für uns vorbereiteten, großen Sitzkreis waren Pinnwände aufgestellt, auf denen Botschaften von Bewerber:innen hängten, die es nicht in die Auswahl geschafft hatten. Die Neugierde aber auch das Verantwortungsgefühl wuchs. Ich war jedenfalls bereit, mich ganz auf diese neue Erfahrung einzulassen.

Ein großer Kreis mit Menschen aus unterschiedlichen Lebensrealitäten; Foto (c) Jonathan Steininger

Nach der Kennenlernphase (Name, Aufstellung wo wir herkommen, welche Lebensbereiche uns ein Anliegen sind, wie stark wir persönlich vom Klimawandel betroffen sind, …) wurde der Weg geebnet in Richtung Vision. Wir begaben uns auf eine angeleitete Traumreise und tauschten uns danach in Kleingruppen über die Bilder aus, die in unserem Inneren entstanden sind. In der großen Runde haben wir nacheinander unsere Vision und die Bilder aus unserem Inneren mit Worten ausgesprochen und auf einem großen Plakat (positiv formuliert) zu Papier gebracht. Da wollen wir also hin. Das letzte Wort hatte dabei zufällig ich. Beim Gedanken an die Kinder und die Unsicherheiten kam mir plötzlich in den Sinn: „Keine Angst mehr vor der Zukunft.“ Mit unserer großen, gemeinsamen Vision endete der Tag um 21 Uhr und wir hatten bis zum nächsten Tag Zeit, nach Hause zu gehen, zu schlafen, die Vision sacken zu lassen und zu reflektieren.

Alle Teilnehmer:innen haben ein Symbol mitgebracht, das für sie für die „Klimaneuzeit“ steht
Foto (c) Joana Susanna Müller

Samstag, 4. März 2022

Erholt trafen das Team und alle Teilnehmer:innen zwischen 8 und 8:30 Uhr in der Aula der Uni Graz ein, um die Arbeit vom Vortag fortzusetzen. Aus der Vision soll eine Mission entstehen und daraus konkrete Zukunftsbilder für die Jahre 2060, 2040, 2030 und 2025. Die gesamte Gruppe ist motiviert, sprudelt und jede:r Einzelne möchte einen Beitrag leisten. Ich persönlich war vor allem so glücklich und dankbar, endlich einmal die Möglichkeit zu haben, Utopien aus dem Kopf vor mich hinzuspinnen und Wünsche, die sonst schnell mit Zweifel zerstreut werden, ohne Bedenken laut auszusprechen.

Zukunftsbilder werden niedergeschrieben (c) Jonathan Steininger

Dass beim Zusammentragen nicht alle Zukunftsbilder auf sofortigen Konsens stoßen, sondern Widerstand spüren lassen, ist eine ungewöhnliche Lernerfahrung, um die Herausforderung einer Demokratie am eigenen Leib zu spüren. Bei sehr vielen Zukunftsbildern stoßen wir jedoch auf keinen Widerstand und das gibt tatsächlich viel Grund zur Hoffnung. Da ich mich vollständig auf den Prozess eingelassen habe, habe ich nichts notiert, sondern kann nur aus der Erinnerung einen winzig kleinen Auszug schreiben, was mir in etwa hängen geblieben ist:

  • das öffentliche Verkehrsnetz ist so gut ausgebaut wie das Trinkwasserleitsystem
  • Menschen arbeiten nicht mehr, um zu überleben, sondern es gibt das bedingungslose Grundeinkommen und jede Person arbeitet, um Talente und Fähigkeiten zu entfalten
  • Bildung konzentriert sich auf individuelle Talente und Problemlösungen
  • die Artenvielfalt ist auf einem Höchststand seit Jahrzehnten
  • 100% erneuerbare Energie aus der Steiermark
  • Verpackungsmaterial wird unnötig
  • Pflegeberufe sind hoch anerkannt
  • versiegelte Böden werden aufgerissen und der Natur zurückgegeben
  • Menschen sind so gebildet und kennen ihre Bedürfnisse gut genug, sodass sie unabhängig von Werbung/Manipulation sind
  • und vieles, vieles, vieles mehr

Wir hätten noch lange weiterdiskutieren können, aber durch diesen 24-Stunden-Zeitrahmen war das Experiment schon so angelegt, dass wir wohl niemals hätten fertig werden können. Ich persönlich ging dennoch mit einem sehr positiven Gefühl hinaus und bei der Abschlussrunde erkannte ich, dass es so gut wie allen anderen ebenfalls so ging.

Mit der gemeinsam erarbeiteten Vision und Mission im Blick, wurden die Zukunftsbilder für die jeweiligen Zeitabschnitte zwischen 2060 und 2025 zusammengetragen.
Foto (c) Joana Susanna Müller

Einer der Teilnehmer:innen hatte zum Abschluss als Geschenk für jede:n von uns eine kleine Eichenpflanze mitgenommen, die er selbst gezogen hat. Beim Einpflanzen, Wachsen und Gedeihen werden hoffentlich auch unsere Visionen und Ideen Wurzeln schlagen und zu hohen Bäumen emporwachsen.

Mein Bericht ist nur eine einseitige Sichtweise und komplett unvollständig – es gibt noch 49 andere Teilnehmer:innen, die es bestimmt ganz anders erlebt haben und es gibt noch das Team, das ein Jahr an dem Projekt gearbeitet hat, für die Finanzierung gesorgt hat, sowie wissenschaftliche Mitarbeiter:innen, die den Prozess begleiten und die Ergebnisse dokumentieren. So viele Menschen haben daran gearbeitet, dieses tolle Projekt auf die Beine zu stellen. Und noch viel mehr Menschen wird es brauchen, um die Ergebnisse zu multiplizieren und umzusetzen.

Das Ende der Challenge bedeutet für mich definitiv nicht das Ende der Arbeit. Ich kann jetzt nicht Zuhause die Hände in den Schoß legen und darauf warten, dass sich jemand von den Ergebnissen angesprochen fühlt und die Welt ändert. Meine Hoffnung besteht darin, dass die Ergebnisse viele kleine Flammen, die zum Teil sicher vorher schon stark gebrannt haben, als großes Feuer weiterbrennen und mit der Begeisterung für Klimaschutz ganz viele anstecken, sodass die ganze Steiermark schon bald als das brennt wofür sie (völlig parteiunabhängig) symbolisch schon lange bekannt ist: als das grüne Herz Österreichs. Und da Veränderung immer erst im Kopf beginnt, erlebte ich es so oder so als ein großes, wirkungsvolles Zeichen für eine …nun ja… Klimaneuzeit.

https://klimaneuzeit.at/
Website von Klimaneuzeit

Klimaneuzeit ist ein Projekt von Quantuum in Kooperation mit IIASA (International Institute for Applied Systems Analysis), Wegener Center und Uni Graz, gefördert vom Land Steiermark und gesponsert von GRAWE und Komptech.

Dieser Beitrag wurde von Martina Anger verfasst – vielen Dank!
Martina Anger: Fotografin (Vorstadtfarben), Autorin, Nachhaltigkeitsbegeisterte und Gründerin des Repaircafé Premstätten. E-Mail: martina@vorstadtfarben.at, Website: www.vorstadtfarben.at

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3 Kommentare:

  1. Bei einer so engagierten Jugend brauchen wir uns um die Klimaneuzeit keine Sorgen machen,

    • Das Projekt war generationenübergreifend. Und ich denke es braucht den Zusammenhalt von allen. Oder mit den Worten des indischen Literatur-Nobelpreisträgers Ravindranath Thakur zu formulieren:
      „Wer Bäume setzt, obwohl er weiß, daß er nie in ihrem Schatten sitzen wird, hat zumindest angefangen, den Sinn des Lebens zu begreifen.“

  2. Ulrike Schauer

    Ein großes Danke und Bewunderung für das Team, das uns durch diese 24 Stunden geleitet hat, einmal durch idyllische ruhige Gewässer, manchmal haben wir auch durch selbstgemachte Stromschnellen dem Team – und uns selbst – alles abverlangt, alle unsere Ideen geordnet unterzubringen. Schade, dass wir nicht weiterarbeiten konnten!

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