Die fünf Phasen der Trauer

Über die 5 Trauerphasen zur Klimakrisenakzeptanz

Der sich immer mehr abzeichnende Klimakollaps ist nicht nur eine ökologische und gesellschaftliche Krise, sondern auch eine zutiefst emotionale Herausforderung. Viele Menschen erleben angesichts von Hitzerekorden, schwindenden Gletschern, sterbenden Wäldern und dem Verlust vertrauter Lebensräume und der Aussicht auf eine sichere Zukunft eine Form von Trauer, die sich mit klassischen Modellen der Trauerbewältigung vergleichen lässt. Das bekannteste Modell ist das der fünf Phasen der Trauer nach Elisabeth Kübler-Ross.

Die Psychiaterin Elisabeth Kübler-Ross beschrieb 1969 fünf typische emotionale Reaktionen auf schwere Verluste. Ursprünglich für Sterbende entwickelt, werden die Phasen heute auf viele Formen von Verlust angewandt. Diese Phasen laufen nicht immer linear ab. Menschen können zwischen ihnen wechseln, sie unterschiedlich intensiv erleben oder – sehr selten – einzelne Phasen auch überspringen.

1. Leugnen (Denial): „Das kann doch nicht wahr sein!“

In der ersten Phase wird die Realität des Verlusts – im Fall des Klimakollapses der Verlust einer stabilen, lebenswerten Umwelt – zunächst abgestritten oder verdrängt. Viele Menschen wollen nicht wahrhaben, dass sich unser Planet in einem nie dagewesenen Tempo, zu unserem Nachteil und unumkehrbar verändert. Die Folgen der Erderwärmung werden heruntergespielt („So schlimm ist es doch gar nicht“), wissenschaftliche Erkenntnisse ignoriert oder als Panikmache abgetan.

Diese Phase ist verständlich, denn die Anerkennung der Krise ist schmerzhaft und bedeutet, sich mit der eigenen Ohnmacht und auch der eigenen Schuld auseinanderzusetzen. Doch je länger das Leugnen anhält, desto schwerer wird es, rechtzeitig zu handeln.

2. Wut (Anger): „Warum ich? Wer ist schuld?“

Wenn das Leugnen nicht mehr aufrechterhalten werden kann, folgt oft Wut. Die Empörung richtet sich gegen Politik, Wirtschaft, ältere Generationen oder auch gegen sich selbst: „Warum wurde nicht früher gehandelt? Warum habe ich nicht mehr getan?“ Oft richtet sich die Wut auch gegen die/den Überbringer der schlechten Nachricht, gegen Klimaaktivist*innen oder Menschen, die ihre Sorgen äußern. Diese Wut äußert sich in aggressiven Kommentaren oder aber auch der Unterstützung von Rechtspopulisten.

Wut kann lähmen – oder sie kann, richtig kanalisiert, zu einer treibenden Kraft für Engagement und Protest werden. Sie ist in der Klimabewegung deutlich spürbar und Ausdruck einer tiefen Betroffenheit. Populisten befeuern und nutzen diese Wut, um verunsicherte Menschen für sich zu gewinnen. Auch daher ist es wichtig, rechtzeitig durch die Phasen zu gehen und zur Akzeptanz zu gelangen.

3. Verhandeln (Bargaining): „Vielleicht können wir es noch irgendwie abwenden?“

In dieser Phase suchen Menschen nach Auswegen oder Kompromissen. Es werden Hoffnungen gehegt, dass technologische Lösungen, politische Maßnahmen oder persönliche Verhaltensänderungen das Schlimmste noch verhindern könnten („Wenn wir jetzt alle das Klima schützen, wird es vielleicht nicht so schlimm“ oder „Es wird wohl noch rechtzeitig etwas erfunden werden“).

Das Feilschen ist ein Versuch, wieder Kontrolle zu gewinnen. Es zeigt, dass die Dramatik der Situation erkannt wurde, aber die Hoffnung auf einen glimpflichen Ausgang noch nicht ganz aufgegeben ist.

4. Depression: „Es ist alles sinnlos – warum noch kämpfen?“

Die vierte Phase ist geprägt von Traurigkeit, Ohnmacht und manchmal auch Resignation. Das Scheitern der bisherigen Strategien wird klar. Viele Menschen erleben eine tiefe Klimatrauer oder sogar Solastalgie – das Gefühl, den eigenen Lebensraum unwiederbringlich zu verlieren. Die Zukunft erscheint düster, Gefühle von Hoffnungslosigkeit und Überforderung machen sich breit. Wir verstehen, was uns bei 3 Grad plus droht, sehen aber, dass nichts unternommen wird. Klimaaktivist*innen sind erschöpft und frustriert, bisherige Strategien sind gescheitert.

Diese Phase ist besonders gefährlich, weil sie zu Passivität führen kann. Doch sie ist auch ein notwendiger Schritt, um die Realität zu verarbeiten und sich auf einen neuen Umgang mit der Situation einzustellen. Oft fällt man wieder zurück zur Verdrängung, um sich zu betäuben.

5. Akzeptanz: „Es ist, wie es ist – und ich kann trotzdem handeln“

In der letzten Phase wird die neue Realität angenommen. Die Erkenntnis, dass wir als Gesellschaft uns in einem Klimanotstand befinden und nicht annähernd ausreichend gegengesteuern, öffnet den Blick für das, was noch möglich und nötig ist. Akzeptanz bedeutet nicht Gleichgültigkeit, sondern die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen und aktiv zu werden – im eigenen Leben, in der Gemeinschaft, in der Politik. Denn auch in Katastrophen bleibt immer ein Gestaltungsspielraum.

Viele Klimaaktive berichten, dass sie nach der Trauerphase neue Kraft schöpfen, um wieder aktiv zu werden und ein neuer Umgang mit der Situation entsteht. Die Akzeptanz kann zu einer Haltung führen, die geprägt ist von Mitgefühl, Engagement und Resilienz.

Klimatrauer als kollektive Erfahrung

Die Trauer um den Verlust unserer lebenswerten Zukunft ist eine kollektive Erfahrung, die vor allem viele Menschen aus der Klimabewegung teilen – auch wenn sie unterschiedlich damit umgehen. Sie ist eine Reaktion auf den realen Verlust von Arten, Landschaften, Lebensqualität und Zukunftschancen. 

Wichtig ist, die eigenen Gefühle zuzulassen, sich mit anderen auszutauschen und gemeinsam Wege zu finden, wie aus Trauer und Ohnmacht Akzeptanz und weitere Handlungsfähigkeit entstehen können.

Was hilft im Umgang mit Klima-Trauer?

  • Gefühle zulassen: Akzeptiere deine Emotionen – sie sind berechtigt und ein wichtiger Teil des Prozesses. Bleib dran, auch wenn es schmerzt!
  • Austausch suchen: Sprich mit anderen über deine Sorgen und Ängste. Gemeinschaft kann Resilienz stärken.
  • Risikogruppen: Klimaforschende, Klimaaktivist*innen oder naturverbundene Menschen sind besonders betroffen – sprich sie darauf an!
  • Bilde dich weiter und hilf anderen: Bau Workshops, Treffen, Gruppen, Gemeinschaften, Rituale etc auf!
  • Handeln: Engagiere dich für Klimaschutz – auch kleine Schritte geben das Gefühl, nicht hilflos zu sein.
  • Selbstfürsorge: Sorge gut für dich, gönn dir Pausen und suche professionelle Hilfe, wenn die Belastung zu groß wird.

Warum ist Trauer für die Akzeptanz des Klimakollapses so wichtig?

Trauer ist eine zentrale emotionale Reaktion auf den Verlust – nicht nur von Menschen, sondern auch von vertrauten Lebensweisen, Landschaften, Sicherheit und Zukunftsperspektiven, wie sie durch die Klimakrise bedroht sind. Im Kontext des Klimakollapses ist Trauer ein notwendiger Prozess, um die Realität der Veränderungen und Verluste wirklich anzuerkennen und zu verarbeiten.

Trauer ermöglicht Akzeptanz und Transformation:

Wer trauert, durchlebt einen mentalen und emotionalen Übergang. Erst wenn wir die Verluste anerkennen und zulassen, können wir sie innerlich verarbeiten und uns an die neuen Gegebenheiten anpassen. Die Psychologie betont, dass Trauer nicht das Ziel hat, das Verlorene zu vergessen, sondern dass sie eine transformierende Kraft entfalten kann: Sie hilft uns, unser Selbst- und Weltbild neu zu justieren und gibt Raum für neue Werte und Handlungsweisen. Durch das bewusste Durchleben der Trauerphasen – von Leugnung über Wut und Verhandeln bis zur Akzeptanz – werden wir widerstandsfähiger und können konstruktiv mit der Situation umgehen.

Trauer ist Voraussetzung für sinnvolles Handeln:

Emotionen wie Trauer, Angst oder Wut sind starke Motivatoren. Sie signalisieren, dass uns etwas wichtig ist, und können uns antreiben, aktiv zu werden – etwa im Klimaschutz oder bei der Anpassung an neue Lebensrealitäten. Wird Trauer zugelassen und verarbeitet, kann sie in Engagement und politisches Handeln münden. Auch gemeinsames Trauern stärkt die kollektive Resilienz und schafft Verbundenheit, was gerade für gesellschaftliche Transformationsprozesse essenziell ist.

Was passiert, wenn wir nicht trauern?

Verdrängung und psychische Belastung:

Wird Trauer nicht zugelassen, besteht die Gefahr, dass wir in Verdrängung, Leugnung oder Fatalismus verharren. Die Klimakrise bleibt dann ein abstraktes Problem, das uns emotional nicht erreicht – oder wir bleiben in Ohnmacht, Zynismus und Apathie stecken. Studien und psychologische Fachgesellschaften warnen, dass das Verdrängen der Klimaverluste zu chronischem Stress, Angststörungen, Depressionen und einem Gefühl der Hilflosigkeit führen kann.

Blockierte Transformation:

Ohne Trauer fehlt die emotionale Verarbeitung der Verluste. Das erschwert nicht nur die individuelle Anpassung, sondern blockiert auch gesellschaftliche Lern- und Veränderungsprozesse. Die notwendige sozial-ökologische Transformation kann so ins Stocken geraten, weil die emotionale Grundlage fehlt, um Altes loszulassen und Neues zuzulassen.

Fehlende Akzeptanz verhindert rationales Handeln:

Nur wer die Realität des Klimakollapses emotional annimmt, kann sie auch rational diskutieren und konstruktiv gestalten. Ohne Trauer bleiben wir im „brutalen Modus der Verdrängungsgesellschaft“ und sind nicht in der Lage, die Klima- und Kollapsfrage ehrlich und lösungsorientiert anzugehen. Emotionale Vorbereitung auf das Worst-Case-Szenario ist dringend nötig, um im Fall der Erkenntnis möglichst „richtig“ zu reagieren.

Warum ist es so schwierig darüber zu sprechen?

Mit Blick auf die derzeitigen ökologischen und sozialen Krisen gibt es wahrlich viel zu betrauern. Im Gegensatz zum Trauern um einen geliebten Menschen oder ein Haustier, das uns jahrelang begleitet hat, ist die Klimatrauer allerdings noch bei den wenigsten anerkannt und in der Tat „tabu“. Betroffene Personen, die diesen Prozess durchmachen, können sich demnach nur schwer und selten über ihre Gefühle äußern, da sie auf Unverständnis stoßen, ihre Sorgen ausgelacht bzw mit Aggression begegnet werden. Dabei wäre es so wichtig, dass man darüber sprechen könnte. Auch hilfreiche Trauerrituale gibt es noch nicht. Selbst Professionist*innen wie Psychotherapeut*innen können oft mit diesem Thema nicht adäquat umgehen. Das furchtbare Gefühl der absoluten Einsamkeit im Klimatrauerprozess ist demnach besonders schlimm – und sorgt sicher auch dafür, dass viele einfach wieder in die Phase der Verdrängung fallen. Rein aus der Beobachterebene könnte man das jetzige extreme Erstarken der Verdrängungsgesellschaft auch darauf zurückführen.

Quellen:

  • https://de.wikipedia.org/wiki/F%C3%BCnf_Phasen_der_Trauer
  • https://magazin.dela.de/die-fuenf-phasen-der-trauer/
  • https://www.trosthelden.de/ratgeber/phasen-der-trauer
  • https://halloklima.at/klimapsychologie-wie-die-4-phasen-der-trauer-unser-klimafreundliches-handeln-voranbringen/
  • https://www.deutschlandfunkkultur.de/oekologische-trauer-psychisch-krank-durch-klimawandel-100.html
  • https://www.klimaaktiv.at/klimabildung/klimakommunikation/worum-gehts/die-psychologie-der-klimakrise
  • https://www.dgsa.de/fileadmin/Dokumente/Fachgruppen/Sozial-oekologische_Transformationen_und_Klimagerechtigkeit_in_der_Sozialen_Arbeit/Essay_MagdalenaMai_Juli2024.pdf
  • https://klimakommunikation.klimafakten.de/showtime/kapitel-20-erwarte-trauer-und-lasse-sie-zu/
  • https://www.klimafakten.de/kommunikation/tote-korallenriffe-verbrannte-waelder-der-klimawandel-erfordert-trauerarbeit-doch
  • https://www.awblog.at/klima-energie/Die-psychische-Last-der-Klimakrise
  • https://institut-klimapsychologie.de/solastalgie/
  • https://klimaallianz-ooe.at/no-future-on-a-dead-planet_klimakrisenakzeptanz/
  • Vortrag von Anna Pribil: https://www.mobile-university.de/fileadmin/Mobile_University/Landingpages/Nachhaltigkeitskongress/Vortraege/2.5_Pra__sentation_Heidelberg_Pribil.pdf
  • https://www.awblog.at/klima-energie/Die-psychische-Last-der-Klimakrise
  • https://www.sueddeutsche.de/wissen/ecological-grief-klimafreitag-klimawandel-ipcc-1.5380661
  • https://unterpalmen.net/trauern-ums-klima-ausgabe-13/
  • Solidarische Kollapspolitik: Ermächtigung durch Akzeptanz: https://steadyhq.com/de/friedlichesabotage/posts/1af3fae3-1a2c-4e59-9e9c-67978c8dfb9f
  • https://www.schader-stiftung.de/fileadmin/user_upload/Klimakollaps_WS_4_Akzeptanz_und_Abschied.pdf
  • https://ethik-heute.org/klima-angst-und-klima-wut/
  • 30.05.2025: https://jeannette-hagen.de/gesellschaft/keine-hoffnung-aber-handlung/

© Beitragsfoto: via Pixabay

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