Es gibt immer mehr Diskussionen rund um das Thema Verkehrsberuhigung, vor allem in Städten. Auch in Graz gibt es neue Verkehrskonzepte. Diese Ideen führen aber nicht nur zu positiven Reaktionen. Die Sorge vieler ist, dass Parkplätze fehlen, und sich der Verkehr nur auf andere Straßen verlagert und dort noch mehr Stau verursacht.
Verkehrsverpuffung – ‚Traffic Evaporation‘
Aber ist es wirklich so, dass der Verkehr durch Verkehrsberuhigung nur verlagert wird? Die meisten Erhebungen zu dieser Frage zeigen, dass das nicht stimmt. Das Gegenteil ist der Fall, der Verkehr wird weniger. Dieses Phänomen wird ‚Verkehrsverpuffung‘ oder ‚Traffic Evaporation‘ genannt. Weil die Straßen für Fußgänger und Radfahrer attraktiver werden, steigen die Menschen auf klimafreundlichere Fortbewegung um. Die Menschen wählen ihr Verkehrsmittel nach der Attraktivität aus. Das heißt, wenn es gut ausgebaute Straßen für Autos und viele Parkplätze gibt, dann werden die Menschen mit dem Auto fahren. Klingt logisch. Die Verkehrspolitik fördert aber oft den Ausbau von Straßen, um Stau zu verringern. Das ergibt einen gegenteiligen Effekt. Der Stau bleibt erhalten und der Verkehr wird mehr, weil das Autofahren bequemer wird. Die Emissionen und die Lärmbelastung steigen. Zusätzlich gibt es weniger Platz für die aktive Mobilität und mehr Fläche wird versiegelt.
Ein paar Fakten zur Verkehrsberuhigung
Das Difu (Deutsches Institut für Urbanistik) hat im Juli 2023 eine Studie veröffentlicht, die mehrere Beispiele von verkehrsberuhigten Zonen in Städten analysiert. Vor allem die Projekte, bei denen ganze Stadtteile verkehrsberuhigt wurden, zeigen klar, dass der Verkehr in den umliegenden Straßen zwar leicht ansteigt, aber gesamt abnimmt. Je nach Ausmaß der Maßnahmen und Größe der betroffenen Fläche konnte der Verkehr zwischen vier und 69 % verringert werden. Der Hauptgrund für diese Verlagerung ist eine Änderung des Verkehrsverhaltens. Mehr Menschen gehen zu Fuß oder nutzen öffentliche Verkehrsmittel. Die Menschen passen sich an und vermeiden Fahrten oder wählen nähere Ziele. Das sieht man sehr schön in der untenstehenden Grafik von Leo Pröttel. Wenn die verkehrsberuhigten Zonen länger bestehen, verstärkt sich dieser Effekt noch, da die Bewohner sich an die neue Infrastruktur gewöhnen und immer mehr auf das Auto verzichten können.
Beispiele
Beispiele wie die autofreie Innenstadt von Pontevedra in Spanien, die Superblocks in Barcelona, Low Traffic Neighbourhoods in London, und einige Projekte in Deutschland zeigen, dass Verkehrsverpuffung stattfindet. Aber auch in Graz tut sich viel in dieser Richtung. Der Sonnenfelsplatz und die Zinzendorfgasse, und die Straßen südlich des Lendplatzes sind schon umgestaltet. Jetzt steht zur Debatte, ob auch der Grieskai eine Fußgängerzone und somit komplett autofrei werden soll (Jahrhundertchance.at). Die momentane Baustelle in der Innenstadt wird von Verkehrsplanern als große Chance gesehen. Da sich das Verkehrsverhalten deshalb bereits geändert hat, wäre es jetzt leichter, diese Änderungen gleich beizubehalten. Später, wenn der vorherige Zustand wieder eingeführt wäre, würde es wahrscheinlich mehr Widerstand geben. Die Verkehrszählungen am Grieskai zeigen jedenfalls ein deutliches Bild. Vor der Sperre wegen der Baustelle fuhren dort und in der direkten Umgebung täglich 7.900 Autos mehr als während der Sperre.
Jedenfalls ist so eine begrünte und neu gestaltete Zone um einiges hübscher als eine ’normale‘ Straße mit viel Asphalt und parkenden Autos.
Quellen:
Bauer, U., Bettge, S. & Stein, T. (2023). Verkehrsberuhigung: Entlastung statt Kollaps! Maßnahmen und ihre Wirkungen in deutschen und europäischen Städten (Difu Policy Papers Nr. 2). Deutsches Institut für Urbanistik. https://doi.org/10.34744/difu-policy-papers-2023-2
Difu Pressemitteilungen: https://difu.de/presse/pressemitteilungen/2023-07-18/verkehrsberuhigungsmassnahmen-sorgen-fuer-entlastung-statt-verkehrskollaps
Mein Bezirk – Neues Verkehrskonzept als Jahrhundertchance: https://www.meinbezirk.at/graz/c-lokales/neues-verkehrskonzept-als-jahrhundertchance_a6657846
https://rapidtransition.org/stories/reducing-roads-can-cause-traffic-to-evaporate/
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Großartiger Artikel! Weniger Verkehr „verlangsamt“ auch die Menschen…und das tut gut!