Krisenstimmen: In dieser Rubrik ist Platz für eine andere Art der Annäherung an die Klimakrise, die Klimakatastrophe, den Klimakollaps. Keine wissenschaftlichen Artikel, keine Energiespartipps – hier wird der Frage nachgegangen, wie es uns eigentlich mit der Krisenstimmung geht. Und das in Form von Texten, die einmal eher erzählerisch, einmal eher nachdenklich oder ganz poetisch daherkommen können. Immer auf der Suche nach dem, was zwischen den Zeilen steht. Nun aber zu: Nachtgedanken.
Irgendwo habe ich einmal gelesen, dass um vier Uhr früh alle Menschen müde seien, selbst die größten Nachteulen, selbst die frühsten Frühaufsteherinnen. Irgendwo habe ich einmal gelesen, dass es im Lauf der vierundzwanzig Stunden um vier Uhr früh am kältesten sei.
Seit Tagen immer das Gleiche: Mein Körper taucht aus dem Schlaf auf wie aus einem kühlen Gewässer, den Druckausgleich vernachlässigend, platscht halb zugedeckt auf das Leintuch und schickt die Augen Richtung Wecker. Zehn vor vier.
Ich taste nach der Nachtkästchenlampe. Keine Bedrohung zu sehen im nackten Zimmer. Dennoch in mir das Gefühl, etwas Wichtiges vergessen, vernachlässigt zu haben. Schwitzend nach der Fahrkarte zu suchen unter den Augen eines Schaffners. Die Zähne ungeputzt der Ärztin hinzuhalten. Im Augenblick des größten Glücks jemandem weh zu tun.
Ich schalte das Licht wieder ab. Jetzt weiß ich es wieder. Der Nordatlantik-Strom. Vor dem Schlafengehen habe ich noch über sein Schwächeln gelesen. Sein Versiegen, das im Grunde bereits besiegelt ist. 2050 vielleicht schon, da bin ich jünger als heute meine Mutter. Wieder habe ich sie nicht angerufen. Morgen Abend muss ich daran denken. Wenn sie da nicht gerade beim Zumba ist.
Ich denke an ihre Insulinspritzen. Ob die 2050 noch verfügbar sind, falls ich den Diabetes erbe.
Ich muss auf die Toilette. Ein erstes Symptom, diese nächtlichen Klogänge? Schokolade habe ich heute auch ordentlich viel gegessen. Es kann gar nicht anders sein. Ich werde angewiesen sein auf Medikamente, während die Gesellschaft kollabiert. Kein Moment, in dem man zu den Schwächeren gehören sollte.
Der Fußboden ist kalt. Mein Kopf sucht nach Auswegen. Die Klimakonferenz, die vielleicht endlich Fortschritt bringt. Die Solarpaneele auf unserem Dach. Das Schnitzel, das wir schon lang nicht mehr gegessen haben.
Ich krieche zurück ins Bett, schlinge die Decke um mich. In der Dunkelheit sehe ich Bilder durch das Zimmer huschen. Grelle Zukunftsblitzlichter. Es bringt jetzt nichts, die Augen zuzumachen. Nachts lässt sich mein Gewissen nicht beruhigen. Was tagsüber in Schach zu halten ist, bläst sich nachts auf zu einem Ungetüm. Die Angst kriecht mir in aller Deutlichkeit zwischen die Schultern. Lässt sich nicht abschütteln. Flüstert mir ins Ohr: Nie wieder glücklich. Nie wieder unbeschwert. Immer in Gefahr. So wird es sein.
Keine Landwirtschaft mehr möglich in großen Teilen der Welt. Wer denkt da noch an Insulin.
Ich brauche eine Lösung, jetzt. Morgen muss ich fit sein. Durchwachte Nächte kann ich mir nicht leisten.
Ein einziger guter Vorsatz reicht, damit ich schlafen kann. Ich sollte ihn niederschreiben.
In ein paar Stunden schon, wenn sich Gedanken und der Tag erhellen, wird er mir nicht mehr notwendig erscheinen.
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