Der Untergang der Hethiter

Lektionen aus der Bronzezeit für die heutige Klimakrise

Vor etwa 3.200 Jahren, am Ende der Bronzezeit, ging mit dem Hethiterreich eines der mächtigsten Großreiche des östlichen Mittelmeerraums unter. Sein Fall bietet bis heute faszinierende Einblicke in die komplexen Wechselwirkungen zwischen Klima, Gesellschaft und Macht.

Was führte zum Untergang der Hethiter?

Die aktuellen archäologischen und naturwissenschaftlichen Studien zeigen, dass mehrere Faktoren zum Untergang des Hethiterreichs beitrugen:

  • Dreijährige Extremdürre: Neuere Untersuchungen sowie Analysen von Blütenstaub und anderen natürlichen Archiven legen nahe, dass Zentralanatolien am Höhepunkt der Hethiterherrschaft von einer extremen Trockenphase getroffen wurde. Für mindestens drei Jahre (etwa 1198 bis 1196 vor Christus) fiel viel zu wenig Regen – die Vorratslager reichten plötzlich nicht mehr aus. Die folgenden Missernten führten zu massiven Versorgungsproblemen.
  • Kriege und innere Unruhen: Gleichzeitig kämpften die Hethiter an mehreren Fronten – unter anderem gegen rätselhafte „Seevölker“, die offenbar viele Küstenstädte angriffen. Wir denken heute bei Kollaps einer Zivilisation oft an äußere Feinde, doch innere Konflikte, Aufstände und Machtkämpfe schwächten das Reich zusätzlich.
  • Politisch-ökonomische Bruchlinien: Das ausgedehnte, komplex verwaltete Großreich war auf ständige Versorgung und Stabilität angewiesen. Als Dürre und Missernten diese Infrastruktur untergruben, wurden vorhandene politische und soziale Konflikte verschärft.

Die klimatische Komponente: Klimakollaps als Schlüsselfaktor

Die Studie von Sturt Manning und Kollegen aus dem Jahr 2023 zeigt, dass „ausgedehnte politische und wirtschaftliche Systeme im Falle extremer Klimaereignisse besonders anfällig sind“. Die Hethiter waren zwar an das raue Klima Anatoliens gewöhnt und hatten Anpassungsstrategien entwickelt. Aber die Intensität und Dauer der damaligen extremen Trockenperioden stellte diese Resilienz auf eine harte Probe.

Auch wenn damals noch keine menschengemachten Emissionen die Ursache waren, verdeutlicht dieses historische Beispiel, wie plötzliche klimatische Veränderungen die Fundamente einer Hochkultur erschüttern und letztlich zu ihrem Kollaps führen können.

Der Zusammenhang mit der heutigen Klimakrise

  • Fragilität komplexer Gesellschaften: Genau wie das Hethiterreich ist auch unsere moderne, global vernetzte Zivilisation besonders verwundbar gegenüber plötzlichen und dauerhaften Klimaänderungen.
  • Systemische Verletzlichkeit komplexer Zivilisationen: Der Fall der Hethiter verdeutlicht, dass großräumig verflochtene und politisch-ökonomisch ausgebaute Gesellschaften bei anhaltenden Klimakatastrophen besonders anfällig für raschen gesellschaftlichen Zusammenbruch sind – eine Erkenntnis, die unmittelbar auf unser globalisiertes System übertragbar ist.
  • Missernten als Bedrohung: Auch heute sind Extremwetter, Dürren und Missernten weltweit auf dem Vormarsch. Denn Versorgungssicherheit, politische Stabilität und wirtschaftlicher „Erfolg“ sind eng mit einem stabilen Klima verwoben.
  • Anpassungsfähigkeit entscheidet: Die Hethiter sind ein warnendes Beispiel dafür, wie sich selbst gute Anpassungsmechanismen schnell als unzureichend erweisen können, wenn die Extremereignisse das gewohnte Maß überschreiten. Schon wenige Jahre der Dürre konnten den Kollaps einleiten und die politischen Spaltungen verschärfen.

„Der Fall der Hethiter macht einen Punkt glasklar: Ausgedehnte politische und wirtschaftliche Systeme sind im Falle extremer Klimaereignisse besonders anfällig.“Müge Durusu-Tanrıöver, Temple University

Was können wir aus dem Untergang der Hethiter lernen?

  • Klimaveränderungen sind systemische Risiken: Klimakrisen wirken als „Multiplikatoren“ für bestehende Konflikte, Schwächen und Ungleichheiten. Wie damals beim Hethiterkollaps wirken auch heute Klima, Politik, soziale und wirtschaftliche Strukturen zusammen – es ist nie „nur das Wetter“, sondern immer das komplexe Zusammenspiel aller Bereiche.
  • Frühzeitige Anpassungsmaßnahmen sind essenziell: Stärkere Resilienz durch frühzeitige Transformation und ständiges Lernen, Diversifizierung und nachhaltige Verwaltung sind Schlüssel zur Vermeidung des Systemkollapses – anstatt sich nur auf technische kurzfristige Lösungen zu verlassen.
  • Fokus auf nachhaltige und gerechte Strukturen: Soziale Gerechtigkeit und nachhaltiger Ressourcenumgang erwiesen sich als Schlüssel zur Widerstandsfähigkeit. Gesellschaften, die Ungleichheiten minimieren und Ressourcen nachhaltig nutzen, haben laut Studien deutlich bessere Langzeitperspektiven
  • Wissenschaftliche Erkenntnisse ernst nehmen: Die Geschichte der Hethiter zeigt, wie wichtig es ist, Klimaentwicklungen frühzeitig zu erfassen und politischen Handlungswillen daraus abzuleiten.

Allerdings: Die Dürre und der Kollaps von damals war auf die Regionen um das Schwarze Meer beschränkt. Der heutige Klimawandel hat globale Auswirkungen.

„Situationen, in denen es über zwei oder drei Jahre hinweg zu lang anhaltenden, wirklich extremen Ereignissen wie diesem kommt, können selbst gut organisierte, widerstandsfähige Gesellschaften aus dem Gleichgewicht bringen„, so Archäologe Sturt W. Manning. „Wir nähern uns möglicherweise unserer eigenen Belastungsgrenze.“ 

Quellen:

  • Studie: 08.02.2023: https://www.nature.com/articles/s41586-022-05693-y
  • 12.02.2023: https://www.tagesspiegel.de/wissen/die-hethiter-antikes-grossreich-im-klimakollaps-9335399.html
  • 17.02.2023: https://www.sueddeutsche.de/wissen/hethiter-duerre-klimakolumne-1.5753687
  • 15.08.2013: https://www.zeit.de/news/2013-08/15/geschichte-studie-klimawandel-trug-zu-kulturellem-kollaps-in-bronzezeit-bei-15101403
  • https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Hethiter
  • 15.08.2013: https://www.scinexx.de/news/geowissen/klima-brachte-hochkulturen-am-mittelmeer-zu-fall/
  • https://de.wikipedia.org/wiki/Hethiter
  • https://nationalgeographic.de/geschichte-und-kultur/2023/02/was-besiegelte-den-untergang-der-hethiter/
  • https://www.hethport.uni-wuerzburg.de/HPM/hpm.php?p=hetgesch

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