Trauern nach Circlewise & Sobonfu Somé


Die Klimakatastrophe trifft uns als Menschen existenziell und emotional. Von Hitzerekorden und Dürren, unzähligen Bränden und Überschwemmungen mit Todesopfern und Zerstörung, über den Verlust vertrauter Landschaften bis zu Zukunftsängsten – all diese Erfahrungen erzeugen tiefe Trauer, so man sie zulässt. Doch wie gehen wir mit diesen Gefühlen um? Die Ansätze von Circlewise und von Sobonfu Somé (verstorben 2017), einer Medizinfrau aus Burkina Faso, eröffnen heilsame Wege zum Umgang mit Trauer, die gerade in Zeiten des Klimakollaps eine Einladung sein können.

„Trauer ist viel mehr als traurig sein“ – so Sobonfu Somé. „In der westlichen Kultur gibt es besonders viel zurückgehaltene, nicht gelebte Trauer.“

Die Kraft der kollektiven Trauer nach Sobonfu Somé

In der Dagara-Tradition, wie Sobonfu Somé sie beschreibt, ist Trauerarbeit ein kollektives Ereignis – und nicht wie im Westen ein verborgener Akt: Schmerz und Verlust werden gemeinsam rituell bewegt. Trauer ist kein Defizit, sondern eine aktive Kraft der Transformation. In traditionellen Ritualen, wie Sobonfu sie auch nach Europa brachte, entsteht ein sicherer Raum, in dem Gefühle zugelassen, ausgedrückt und durch Gemeinschaft gehalten werden. Oft stehen Altäre im Mittelpunkt, die dazu dienen, Trauer und Vergebung ihren Platz zu geben – denn blockierte Vergebung kann den Fluss der Trauer hemmen. Erst durch das Zulassen von Tränen, Schreien und Klagen kehrt Frieden und Annahme ein. Ein zentrales Element ist das gemeinsame Trommeln, Singen und Bezeugen: „Dieses hier schaffen wir nur gemeinsam“ ist die Essenz solcher Rituale.

„Die Dagara sind einfache, traditionell lebende Menschen, die in Lehmhäusern wohnen, ihr Leben voller Rituale und in lebendiger Gemeinschaft verbringen und leidenschaftlich mit ihren Ahnen und dem Geist, dem ›Spirit‹, verbunden sind“, so Sobonfu Somé. „Das Ziel einer Gemeinschaft ist, dafür zu sorgen, dass jedes ihrer Mitglieder gehört wird und die Gaben, die es in diese Welt mitgebracht hat, auf die richtige Weise einbringen kann.“

Trauerfeuer-Ritual

Im afrikanischen Trauerfeuer-Ritual wird vier Tage und Nächte ein Feuer gehütet; gemeinsam wird getrauert, Verstorbene werden geehrt. Das Ritual ist ein Raum der Wandlung, um alte Verstrickungen zu lösen und neue Verbundenheit mit sich selbst, der Gemeinschaft und der Welt zu spüren.

Circlewise: Trauerprozesse als Übergänge ins Neue

Circlewise setzt auf die Begleitung individueller und kollektiver Trauerprozesse. Trauer wird als Krise verstanden, die uns verändert – als eine Reise, bei der Chaos und Verwirrung ebenso willkommen sind wie Tränen und Wut. Die Aufgabe der Begleitung ist es, einfach präsent zu bleiben, Raum zu halten und nicht zu urteilen, nicht die Führung zu übernehmen oder Ordnung aufzuzwingen. Herzoffenes Zuhören, Respekt vor der Wildnis der Seele und das Bezeugen von Schmerz sind zentrale Prinzipien.

„Trauer ist nicht dasselbe wie Depression“, schreibt Circlewise: „Nur wenn seelischer Schmerz keinen Ausdruck und Heilung findet, kann er chronisch und zerstörerisch werden.“ Wer Trauer unterdrückt, schiebt sie auf andere – individuelle und kollektive Räume des Ausdrucks von Trauer sind daher essenziell.

Mehr zu Circlewise: https://circlewise.org/
Instagram: https://www.instagram.com/circle_wise/

Trauer im Kontext Klimakollaps: Emotionale Ehrlichkeit als Voraussetzung für Wandel

Die Klimakrise konfrontiert uns mit massiven Verlusten: Ökosysteme sterben, Heimat und Zukunftsperspektiven schwinden. Trauer ist deshalb ein notwendiger Prozess, um diese Verluste zuerst emotional zu bezeugen und dann zu transformieren – sowohl individuell als auch gesellschaftlich. Ohne Trauer bleiben wir in Verdrängung oder Fatalismus stecken. Werden die Gefühle zugelassen, ermöglichen sie Akzeptanz und neue Handlungsfähigkeit. Trauer – individuell und kollektiv – wird zur Voraussetzung für eine ehrliche und sinnvolle Transformationsbewegung im Angesicht der Klimakrise.

Die fünf Trauer-Phasen nach Kübler-Ross – Leugnen, Wut, Verhandeln, Depression und Akzeptanz – finden hier Anwendung. Menschen erleben häufig Ohnmacht und Schuld, doch erst das Durchleben dieser Gefühle ermöglicht inneres Wachstum, Resilienz und ein neues Miteinander.

Die Rolle von Ritual und Gemeinschaft

Circlewise und Sobonfu Somé lehren uns, dass wir nicht alleine trauern müssen. Der Raum, der durch achtsame Rituale und die Präsenz anderer entsteht, bringt Heilung und neue Verbundenheit. Gerade angesichts des ökologischen Kollaps sind bewusstes Trauern und gemeinschaftliche Rituale zentral, um unsere Kraft für die Zukunft zu stärken.

Kontakte für den deutschsprachigen Raum:

Hier sind zentrale Anlaufstellen und konkrete Kontakte im deutschsprachigen Raum mit Angeboten zu Circlewise, Trauerarbeit und Ritualen nach Sobonfu Somé:

Weitere Beiträge auf unserer Seite:

Quellen:

  • https://lesen.oya-online.de/texte/3523-sich-zu-trauern-trauen.html
  • https://www.zobodat.at/pdf/Agemus_91_0021-0022.pdf
  • https://circlewise.org/artikel/was-ist-trauer/
  • https://circlewise.org/angebote/trauer/
  • https://www.sobonfu.com/
  • https://utiseta.org/trauerrituale/
  • https://wildnisschule.de/post-883/
  • https://nachhaltig-in-graz.at/die-fuenf-phasen-der-trauer/
  • https://klimakommunikation.klimafakten.de/showtime/kapitel-20-erwarte-trauer-und-lasse-sie-zu/
  • Podcast dazu: https://shows.acast.com/klimafakten/episodes/20-erwarte-trauer-und-lasse-sie-zu
  • https://siebenlinden.org/de/trauern-lernen-in-sieben-linden/
  • https://www.sueddeutsche.de/wissen/ecological-grief-klimafreitag-klimawandel-ipcc-1.5380661
  • https://lesen.oya-online.de/texte/2743-sobonfu-som.html

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