Informations-Vermeidung

Informations-Vermeidung und die Klimakrise: Warum wir wegsehen und was wir dagegen tun können

In einer Welt, die von Daten und Berichten überschwemmt wird, möchte man meinen, dass Menschen vor allem über existenzielle Themen wie die Klimakrise so gut wie möglich informiert sein wollen. Doch genau das Gegenteil ist oft der Fall. 2024 haben Extremwetterereignisse enorme Schäden und Leid angerichtet. Dennoch war die globale Erwärmung kein großes Thema. Informations-Vermeidung („information avoidance“) oder auch Nachrichten-Vermeidung ist ein psychologisches Phänomen, das zunehmend im Kontext der Klimakrise sichtbar wird. Warum entscheiden sich Menschen, Informationen über die Klimakrise zu meiden, und wie können wir die Balance zwischen einem gut informierten Leben und dem Gefühl der Überforderung finden?

Was bedeutet Informations-Vermeidung?

Informations-Vermeidung beschreibt das bewusste oder unbewusste Verhalten, Informationen, die unangenehm, beängstigend oder moralisch fordernd sind, zu meiden. In manchen Fällen kann es gute Gründe dafür geben, nicht jedes Detail wissen zu wollen, zB bei schweren, unheilbaren Krankheiten. Im Bereich der Klimakrise kann sich diese Vermeidung auf verschiedene Arten äußern:

  • Nicht nach Informationen suchen: Menschen meiden Artikel, Berichte oder Dokumentationen über die Klimakrise („Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“).
  • Ignorieren von Fakten: Selbst wenn sie über die Problematik Bescheid wissen, überlesen oder überhören sie mahnende Botschaften. Sobald das Thema angeschnitten wird, wird abgelenkt.
  • Verzerren von Informationen: Informationen werden so interpretiert, dass sie den eigenen Überzeugungen oder dem Wunsch nach Bequemlichkeit entsprechen („Das wird schon nicht so schlimm werden“). Menschen weigern sich, die ganz offensichtlichen Schlüsse daraus zu ziehen.

Für unser Überleben als Spezies war es entscheidend, informiert zu sein. Unsere Vorfahren waren dadurch in der Lage, unmittelbare Bedrohungen wie Raubtiere oder feindliche Gruppen zu erkennen. Es gab ihnen die Möglichkeit, sich über neue Bedrohungen oder Möglichkeiten auszutauschen. Aber sie hörten nur Nachrichten, die sie direkt betrafen, wohingegen wir heute von allen Teilen der Erde zu jeder Zeit mit Informationen versorgt werden.

Warum vermeiden Menschen Informationen zur Klimakrise?

  1. Psychologische Überforderung: Die Klimakrise ist ein enorm komplexes und bedrohliches Thema. Diese Überwältigung kann dazu führen, dass Menschen sich abwenden, um emotionalen Stress zu vermeiden.
  2. Gefühl der Ohnmacht: Viele Menschen glauben, dass ihre individuellen Handlungen wenig Einfluss auf das globale Problem haben. Dieses Gefühl der Machtlosigkeit kann zur Vermeidung von Informationen führen.
  3. Kognitive Dissonanz: Informationen über die Klimakrise stehen oft im Widerspruch zu persönlichen Gewohnheiten oder Lebensstilen. Die Konfrontation damit könnte bedeuten, dass man sein Verhalten ändern muss – etwas, das viele Menschen vermeiden wollen.
  4. Angst, Scham und Schuldgefühle: Die Aussicht auf drastische Folgen wie Umweltkatastrophen löst Angst aus. Gleichzeitig können Schuldgefühle über den eigenen CO2-Fußabdruck dazu führen, dass Menschen sich nicht weiter mit dem Thema beschäftigen wollen.

Wie äußert sich Informations-Vermeidung im Alltag?

  • Medienkonsum: Menschen überspringen Artikel über den Klimawandel oder schalten bei Dokumentationen um.
  • Vermeidung von Gesprächen: Diskussionen über Klimaschutz werden vermieden, um Konflikte oder unangenehme Gefühle zu umgehen.
  • Apathie oder Resignation: Aussagen wie „Ich kann eh nichts ändern“ oder „Das Thema ist zu groß für mich“ sind häufig.

Wie können wir mit Informations-Vermeidung umgehen?

  1. Emotionale Unterstützung bieten: Angemessene emotionale Ansprache kann helfen, Menschen abzuholen. Statt Angst zu schüren, sollten Lösungen und Erfolgsgeschichten im Fokus stehen.
  2. Verantwortung entmystifizieren: Jeder Beitrag zählt. Es ist wichtig, Menschen zu zeigen, dass auch kleine Schritte wie das Reduzieren von Plastik oder der Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel einen Unterschied machen.
  3. Einfache und zugängliche Informationen: Komplexe Berichte können abschreckend wirken. Informationen sollten klar, verständlich und umsetzbar sein.
  4. Gemeinschaftsgefühl schaffen: Initiativen und Gemeinschaften können Menschen ermutigen, aktiv zu werden. Wenn man sieht, dass andere mitmachen, steigt die Motivation.
  5. Positive Verstärkung: Statt mit Schuld und Angst zu arbeiten, sollten Menschen für ihr Engagement gelobt werden. Das schafft Anreize für weiteres Handeln.

So bleibst du informiert und trotzdem mental gesund

Verdrängung kann nicht die Antwort sein. In jeder politischen, ökonomischen oder ökologischen Krise ist es sinnvoll, sich über wichtige Nachrichten auf dem Laufenden zu halten und sich mit der Krise auseinanderzusetzen. Nur wer informiert ist, kann sich mental auf Situationen einstellen und sich auf drohende Veränderungen vorbereiten. „Doomscrolling“, also das Festhängen in der Wiederholungsschleife an (schlechten) Nachrichten sollte allerdings vermieden werden. Es ist auch selbst unter Klimaaktivist*innen normal, ab und zu eine gewisse Informationsmüdigkeit zu fühlen. Bevor man sich allerdings komplett zurückzieht und die wichtigen Informationen gar nicht mehr an sich heran lässt, kann man stattdessen Folgendes tun:

  • Engagement im Kleinen finden. Tu etwas Nützliches. Werde selbstwirksam. Egal ob du Sachen, Zeit oder Geld spendest, mach einen Unterschied. Das Schlimmste an einer Krise ist, wenn man sich ihr ausgeliefert fühlt.
  • Beschäftige dich mit etwas anderem, das dich beruhigt und dir Freude macht. Zwei- bis dreimal täglich ein News-Update muss genügen.
  • Mit anderen über deine Gefühle und Sorgen sprechen. Es kann beruhigend sein zu wissen, dass du nicht die/der Einzige bist, die/der sich von den Neuigkeiten überwältigt fühlt.
  • Sich einer Gruppe anschließen, die für das Gleiche kämpft.
  • Den Medienkonsum planen, lenken und limitieren. Du kannst auch eine Stoppuhr stellen! Mach Pausen. Vermeide planloses Scrolling. Damit bleibst du informiert, ohne ständig überwältigt zu sein. Unterbinde alle Push-Benachrichtigungen.
  • Bleib nicht in der Tragödie hängen. Du musst dich auch nicht um jedes Problem kümmern.
  • Good News: Such dir bewusst gute Nachrichten. Es gibt so viele Geschichten von Menschen und Organisationen, die einen positiven Unterschied in der Welt machen.
  • Konsumiere einen vielfältigen Nachrichtenmix.
  • Nicht kurz vor dem Schlafengehen Nachrichten konsumieren. Beende den Tag mit ruhigen Aktivitäten.
  • Weiterbildung bei Dingen, die man noch nicht versteht. Lies nach, hör dir andere Sichtweisen und Perspektiven an, lerne, verstehe.
  • Bleib achtsam und kritisch, recherchiere die Quellen und meide Falschinformationen. Vor allem, bevor du diese Informationen weiter gibst.

Es ist okay, sich ab und zu eine Pause von den News zu nehmen, die eigenen Grenzen zu kennen. Aber indem wir gänzlich Informationen vermeiden, ziehen wir uns in einen geschützten Raum zurück. Verhindern dadurch aber auch, ins gemeinschaftlich notwendige Handeln zu kommen. Gesunder Nachrichtenkonsum ist dabei wichtig.

Fazit

Informations-Vermeidung ist ein natürliches, aber hinderliches Phänomen im Kampf gegen die Klimakrise. Indem wir verständnisvoll auf die Beweggründe eingehen und konstruktive Ansätze anbieten, können wir helfen, diese Barriere zu überwinden. Die Klimakrise erfordert, dass wir alle an einem Strang ziehen – und dazu gehört auch, dass wir die Augen öffnen und den Mut finden, hinzusehen. Angesichts der wohl immer häufigeren Extremwetterereignisse dürfen wir außerdem bei all den schrecklichen Schicksalen der Betroffenen nicht abstumpfen.

Quellen:

  • https://www.aeaweb.org/articles?id=10.1257/jel.20151245
  • https://www.mdr.de/wissen/psychologie-sozialwissenschaften/warum-menschen-offensichtliche-informationen-ignorieren-100.html
  • https://publizistik.univie.ac.at/aktuelles/aktuelle-meldungen/news-einzelansicht/news/die-komplexitaet-der-nachrichtenvermeidung-eine-untersuchung-der-beziehung-zwischen-politischer-und/
  • Digitale Resilienz in der Medienforschung, Dr. phil. Stephan Weichert u. Dr. Leif Kramp (Vocer Institut)
  • Reuters Institute Digital News Report 2024: https://reutersinstitute.politics.ox.ac.uk/sites/default/files/2024-06/RISJ_DNR_2024_Digital_v10%20lr.pdf

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