Die Bewusstseinsleiter im Kontext der Klimakrise
Die Ladder of Awareness von Bodhi Paul Chefurka beschreibt eine fünfstufige innere Reise vom Nicht-Wissen hin zur tiefen Einsicht, dass die Klimakatastrophe mit anderen Krisen untrennbar verwoben ist – und fordert dazu auf, innere und äußere Antworten zu verbinden, statt zu erstarren oder zu verzweifeln.
Was wäre, wenn Verzweiflung nicht das Ende, sondern ein Übergang ist?
Chefurkas verblüffend einfaches Modell aus dem Jahr 2012 skizziert fünf Stufen: von „Dead Asleep“ über das Erkennen eines Problems, vieler Probleme, ihrer Verknüpfungen bis zur Einsicht, dass die gesamte Lebensweise betroffen ist – eine Entwicklung, die viele Klima-Engagierte intuitiv nachvollziehen.
Was die Leiter beschreibt
Stufe 1 – Dead Asleep:
Kein Problembewusstsein; man sieht keine Krise und lebt im gewohnten Normalbetrieb weiter. Menschen vertrauern darauf, dass jede kleine, vorübergehende Störung des ewigen Fortschritts durch Innovation, Technologie, Märkte oder Politik behoben wird. Es ist keine böswillige Verleugnung, sondern eine Art ererbtes Vertrauen, dass das System irgendwie funktioniert.
Stufe 2 – Awareness of One Problem:
Ein einzelnes Problem rückt ins Bewusstsein (zB Klimawandel, Ressourcen-Erschöpfung oder wachsende Ungleichheit), meist mit der Annahme, dass es technisch-politisch lösbar ist. In dieser Phase wird man oft aktiv, verschreibt sich ganz dieser Sache und ist aber noch blind für andere. Man glaubt, dass die Lösung dieses einen Problems die Welt wieder in Ordnung bringen wird.
Stufe 3 – Awareness of Many Problems:
Man erkennt mehrere gravierende Probleme parallel (Klimawandel, Biodiversitätsverlust, Ressourcenausbeutung, Ungleichheit), man erkennt die Zusammenhänge und sucht intensiver nach Lösungen. Die Komplexität nimmt zu, und mit ihr die persönliche Überlastung und Frustration.
Stufe 4 – Awareness of Interconnections:
Man erkennt: Die Probleme erweisen sich als systemisch verknüpft; es geht nicht mehr um Einzelmaßnahmen, sondern um Zusammenhänge und Rückkopplungen. Lösungen in einem Bereich wirken sich auf andere Bereiche aus und verschlimmern die Lage mitunter. Auf persönlicher Ebene erfolgt hier oft ein Rückzug in einen kleinen Kreis Gleichgesinnter. Es ist der Beginn eines Wandels von der Problemlösung zur Sinnfindung, aber auch eine unangenehme Schwelle. Wenn das ganze Ausmaß der misslichen Lage sichtbar wird, verschwimmt die Grenze zwischen Erkenntnis und Verzweiflung gefährlich. Menschen geraten hier ins Wanken. Das Gefühl der Selbstwirksamkeit kann schwinden. Manche verfallen dem Zynismus, andere der Erschöpfung oder Depression. Zwischen der vierten und fünften Phase liegt ein fragiler Übergang.
Stufe 5 – Awareness of the Predicament:
Es folgt die Einsicht, dass die gesamte Lebensweise betroffen ist und die missliche Lage alles durchdringt. Daraus folgen zwei Pfade: äußerer Pfad (Transition zu kleineren, entschleunigten Lebensformen mit Gemeinschaftsbildung, Permakultur, lokale Resilienz, lokale Initiativen) und innerer Pfad (Bewusstseinsarbeit, Sinn, Werte).

Innere und äußere Pfade
Auf der höchsten Stufe unterscheidet Chefurka zwei Tendenzen: den äußeren Pfad (lokale Resilienz, Transition, Permakultur) und den inneren Pfad (Bewusstseinsarbeit, Sinn, persönliche Integrität) – beide sind kompatibel und ergänzen sich. Der äußere Pfad findet institutionelle Form im Transition-Netzwerk: Gemeinschaften stärken lokale Selbstversorgung, senken Emissionen und Ressourcenverbrauch und bauen Resilienz auf.
Warum die Leiter heute relevant ist
Die Leiter hilft, das „Mehrfachkrisen“-Gefühl zu strukturieren: vom Wetterextrem zur Systemfrage, von CO2 zur Verflechtung mit Biodiversitätsverlust, Ressourcenknappheit und ökonomischer Instabilität. Sie ergänzt psychologische Modelle wie zB das der Trauerphasen nach Kübler-Ross (von Verleugnung bis Akzeptanz), die in der Klima-Kommunikation genutzt wird, um Botschaften an emotionale Stadien anzupassen.
Risiken auf dem Weg
Chefurka warnt: Wer weder äußere Praxis noch innere Entwicklung findet, kann in Lähmung oder destruktiven Impulsen steckenbleiben. Hier braucht es offene Ohren, solidarische Strukturen und niedrigschwellige Teilhabe. Klima-psychologische Arbeiten zeigen, dass Klimaangst sowohl zu Engagement als auch zu Erschöpfung führen kann. Kontext und Gemeinschaft sind dabei entscheidend für eine proaktive Verarbeitung.
Konkrete Praxisideen
- Übergänge sichtbar machen: Lokale Ansätze wie zB Gemeinschaftsgärten, Urban Farming, Reparatur-Initiativen, Tauschregale, Car- oder Bike-Sharing und Energiegemeinschaften helfen Menschen, sich lokal zu vernetzen, Dinge gemeinsam zu nutzen und voneinander unabhängig zu werden. Das fördert Teilhabe und stärkt den Zusammenhalt in der Nachbarschaft.
- Resilienz planen: In Stadtteilen können gezielt verschiedene Maßnahmen getestet werden, die das Leben widerstandsfähiger gegenüber Krisen machen. Dazu zählen zB die Wärmedämmung von Häusern, lokale Nahwärme-Netze, Batteriespeicher für Strom, eine regionale Währung oder zentrale Orte zur Verteilung und Lagerung von Lebensmitteln („Food Hubs“).
- Innere Arbeit integrieren: Es braucht unbedingt Orte und Angebote, wo Menschen über ihre Sorgen, Trauer oder Hoffnungslosigkeit rund um die Klimakrise sprechen können, etwa in Klima- oder Kollaps-Cafés. Dabei kann man Gespräche nach dem Vorbild der Kübler-Ross-Phasen führen, um gemeinsam neue Stärke und Handlungsfähigkeit zu finden.
Über Bohdi Paul Chefurka
Bodhi Paul Chefurka ist ein kanadischer Autor, Blogger und Aktivist, der sich intensiv mit den Themen Klimakrise, gesellschaftlicher Kollaps und Bewusstseinsentwicklung beschäftigt. Chefurka verbindet in seiner Arbeit ökologische, politische und spirituelle Perspektiven und plädiert für eine bewusste, gemeinschaftliche Anpassung an die multiplen globalen Herausforderungen. Seine Texte zielen darauf ab, Menschen auf verschiedenen Bewusstseinsstufen zu erreichen und zur Mitgestaltung von Resilienz und Transformation zu motivieren.
Weitere Beiträge auf unserer Seite:
- Die fünf Phasen der Trauer
- Das Dual-Prozess-Modell der Trauer
- Kollaps-Café Graz: Kontakt: kollapscafe-graz@proton.me
Quellen:
- http://paulchefurka.ca/LadderOfAwareness.html
- https://www.faithchangingclimate.com/ladder-of-awareness
- https://www.ideassonline.org/public/pdf/TransitionTowns-ENG.pdf
- https://en.wikipedia.org/wiki/Transition_town
- https://www.alpine-space.eu/wp-content/uploads/2025/10/sustainability-17-08929-v2-2.pdf
- https://wiki.communitiesforfuture.org/wiki/Transition_movement
- https://www.ideassonline.org/public/pdf/TransitionTowns-ENG.pdf
- https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0272494422001323
- https://energyskeptic.com/2019/bodhi-paul-chefurka-carrying-capacity-overshoot-and-sustainability/
- http://www.paulchefurka.ca/Sustainability.html
- 22.10.2025: Beyond problem-solving and systems thinking: https://illuminem.com/illuminemvoices/beyond-problemsolving-and-systems-thinking
- https://www.alpine-space.eu/wp-content/uploads/2025/10/sustainability-17-08929-v2-2.pdf
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