Such mit uns den Biber!

Neuigkeiten … diesmal tierischer Art

Heute gibt es einmal keinen Gartentipp, ich lasse die Flora links liegen und mache einen Ausflug in die Fauna. Als ich am Bach entlangspaziere, entdecke ich komisch angenagte, ja sogar gefällte Bäume, einen Damm mitten im Bach – was ist da los? Ich habe Spuren von einem interessanten, ökologisch höchst wertvollen Tier entdeckt – dem Biber. Schon mal was von ihm gehört? Nachdem er bereits als ausgestorben galt, hat er sich jetzt erfreulicherweise auch in unserem Bundesland wieder angesiedelt. Mehr als 100 Jahre lang war in Österreich kein Biber zu finden, nun gibt es seit einiger Zeit wieder deutliche Zeichen für seine Rückkehr. Und auch in den Medien findet man immer wieder Berichte über ihn, die allerdings nicht durchwegs positiv ausfallen.

Der Biber

  • das unbekannte Wesen?
  • der unerwünschte Rückkehrer?
  • das lästige Problemtier?

Wirklich beurteilen kann man das nur, wenn man sich mit ihm näher beschäftigt, mehr über seine Lebensweise und Tätigkeiten erfährt, seine gestaltende Kraft schätzen lernt, um dann vielleicht sagen zu können:

Der Biber  

  • der großartige Baumeister und Ökoingenieur!
  • der kostenlose Renaturierer und Naturschützer!
  • eine Bereicherung für unsere Bäche!

Ein kurzer Rückblick

Ursprünglich war der Biber in Europa weit verbreitet, ehe er, vom Menschen ausgerottet, fast von der Bildfläche verschwand, ausgenommen kleine Gruppen, z. B. an Rhone und Elbe. Wegen seines wertvollen, dichten Felles, seines angeblich wohlschmeckenden Fleisches und eines von ihm produzierten Sekrets, dem Bibergeil, das gegen so manches Zipperlein helfen sollte, wurde er dermaßen intensiv bejagt, dass Österreich ab den 1860iger Jahren zur biberfreien Zone wurde.

Durch erfolgreiche Schutzmaßnahmen und Wiederansiedlungsprojekte an der Donau gelang es, sein vollkommenes Verschwinden zu verhindern. Vor circa 25 Jahren begannen Biber entlang von Raab, Drau und Mur wieder in die Steiermark einzuwandern und sich an größeren und kleineren Bächen anzusiedeln.

Ganz problemlos gestaltet sich das Zusammenleben Biber – Mensch nicht immer, nach 100 Jahren Abwesenheit auch kein Wunder. Allerdings wird in den Medien nur selten auf seinen hohen ökologischen Nutzen hingewiesen, oft wird er sogar in einem Atemzug mit Fischotter, Wolf oder Problembär genannt, was jeglicher Grundlage entbehrt.

Doch schön der Reihe nach, wir wollen ja mehr über den Biber erfahren:

Der Biber ist das größte Nagetier Europas, bis zu 1,35 m lang, 30-35 kg schwer, fast so groß wie ein Schäferhund, nur mit kürzeren Beinen 😊. Er hat ein dichtes, wunderbares Fell, eines der dichtesten im gesamten Tierreich, auf einem cm2 wachsen circa 23.000 Haare. Im Vergleich dazu wirken unsere Köpfe mit circa 200 – 400 Haaren/ cm2 ja beinahe schon kahl😉. Da könnt ihr euch sicher vorstellen, dass diese Felle sehr beliebt waren, man machte daraus Decken, Mäntel, Mützen.

Fellpflege hat einen hohen Stellenwert bei Familie Biber, mit einer speziellen Putzkralle an den Hinterfüßen wird regelmäßig gekämmt und gegelt – ein fetthaltiges Sekret, das Bibergeil, wird auf dem Fell verteilt, um es wasserabweisend, ja schon fast wasserdicht zu machen. Ohren und Nasenlöcher kann der Biber verschließen und bis zu 20 Minuten unter Wasser bleiben. Er hat kleine Äuglein, mit denen er nicht besonders gut sieht, sein Gehör und sein Geruchssinn sind dafür umso besser.

Ganz typisch ist auch der flache, breite Biberschwanz, Kelle genannt, nicht mit Fell sondern mit lederartiger, schuppiger Haut bedeckt – ein Multifunktionstool: als Ruder beim Schwimmen, Steuerungshilfe unter Wasser, Stütze beim Aufrichten, Fettdepot im Winter und bei drohender Gefahr klatscht er laut mit ihr auf`s Wasser, um seine Familie zu warnen.

Seine kleinen, geschickten Vorderfüßchen ähneln unseren Händen. Im Gegensatz dazu sind seine Hinterfüße viel größer, mit Schwimmhäuten zwischen den Zehen perfekt zum Schwimmen geeignet.

Und apropos Schwimmen – von langen Fußmärschen hält der Biber nicht viel, am liebsten möchte er schwimmend überall hingelangen. Sucht sich ein Jungbiber ein eigenes Revier, hat er folgende Ansprüche: Wasser, Nahrung in der Nähe, wie z.B. Grünpflanzen, Bäume am Uferrand, und ein Bachufer, in das er seine Wohnhöhle bauen kann. Hat er ein Plätzchen gefunden, das ihm zusagt, beginnt er auch schon, seine Umgebung für ihn passend umzugestalten. Der Wasserstand zu seicht? Kein Problem für einen Biber! Unglaublich schnell kann dieser Baumeister einen, zwei oder auch drei Dämme entlang eines Baches errichten, gut 80 cm reichen ihm zum Schwimmen, aber mehr geht immer!

Dammbau – wie funktioniert denn das?

Der Biber schlichtet geschickt Zweige, Äste, kleinere Stämme zu einem recht stabilen Bauwerk auf, dichtet es auch noch zusätzlich mit Schlamm ab. Sein Hauptdamm befindet sich in der Nähe seines Baues, ist stets gut gepflegt, der kundige Heimwerker ist ständig am Ausbessern, Reparieren und (mit Schlamm) Verputzen. Niedrigere Erntedämme dienen dazu, Wasser aufzustauen, um Nahrung schwimmend zum Bau bringen zu können.

Die in typischer Sanduhrform gefällten Bäume an Bachufern sind ein deutliches Anwesenheitszeichen eines Bibers. Fällungen passieren hauptsächlich im Winter, da er sich in der kalten Jahreszeit von Rinde und Knospen der Zweige und Äste ernährt. Axt und Motorsäge können im Lagerhaus bleiben, mit seinen kräftigen Biberzähnen schafft er die Fällung problemlos! Die oberen und unteren Schneidezähne, orangefarben durch Einlagerung von Eisenoxid, sind unglaublich hart. Wurzellos wachsen sie ein Biberleben lang nach und geschärft werden sie durch das ständige Nagen.

Breite Holzspäne, die dabei anfallen und Biberchips genannt werden, sind ebenfalls ein typisches Zeichen für „Beaver at work“. Ist der Baum am Boden, wird er meist sorgfältig aufgearbeitet – Nahrung und Baumaterial in einem. Weichholz – Weide, Erle, Pappel – wird bevorzugt. Was er nicht braucht, bleibt als „Totholz“ liegen, eine wertvolle Ressource für viele Tierarten!

Da sind wir schon beim nächsten Punkt – was steht eigentlich im Sommer auf dem Menüplan?

Entgegen der weitverbreiteten Ansicht, Biber würden Fische fressen, ist er Vegetarier im besten Sinne und hat in der warmen Jahreszeit auch einen reich gedeckten Tisch: Gräser, Brennnessel, Klee, Kräuter, Wasserpflanzen, weiche Austriebe von Stauden und Bäumen. Aber auch Kulturpflanzen wie Getreide, Zuckerrüben, Mais sind bei ihm außerordentlich beliebt. Liegen solche Felder in seiner Nachbarschaft, gibt es kein Halten mehr, nicht gerade zur Freude des Landwirtes. Da entstehen oft richtige Trampelpfade vom Bach zum Acker, häufig genutzte Ausstiege zum (höhergelegenen) Uferstreifen sind leicht zu erkennen und werden auch Biberrutsche genannt – Transportweg für Äste, Zweige, Maisstängel.

Werden die Tage kürzer, wird sogar eine Art Speisekammer für den Winter angelegt – der kluge Biber plant vor. Im Bach, in der Nähe seines Baues, verankert er eine Ansammlung von Zweigen, Ästen, Maisstängel – zu diesem Nahrungsfloss kann er notfalls auch unter Eis tauchen und Stück für Stück in seinen Bau bringen.

Und nun zum Biberbau – ein gemütliches Plätzchen sommers wie winters.

Der Biber gräbt sich seine, durch eine Röhre erreichbare Wohnhöhle in die Bachböschung, sie liegt immer oberhalb des Wasserspiegels, der Eingang allerdings, unerreichbar für etwaige Feinde, stets unter Wasser. Trocken, sauber, mit frischen Holzspänen ausgelegt – dort lässt es sich tagsüber aushalten, denn der Biber ist nacht- und dämmerungsaktiv.

Ist die Böschung zu flach, findet man am Ufer einen großen Haufen scheinbar ziellos hingeworfener Äste, dünne Stämme, Wurzeln. Alles, was dem Bauherrn brauchbar erscheint, wird verwendet, angeschleppt, aufgeschichtet und gründlich mit Schlamm abgedichtet – so entsteht die sogenannte Biberburg, auch in ihrem Inneren sitzt Familie Biber sicher und trocken, der Eingang liegt ebenfalls unter Wasser.

Apropos – wie sieht´s denn beim Biber mit Familienplanung aus?

Von Trennung hält ein Biber nicht viel, der Spruch „bis dass der Tod uns scheidet“ trifft auf ihn recht gut zu. Im Frühling kommen 1 – 4 Junge zur Welt, schon behaart und sehend. Sie werden von der Mutter gesäugt, liebevoll umsorgt und beginnen langsam, grüne Stängelchen zu probieren. Ihre anfängliche Angst vor dem Wasser wird schnell abgelegt, wirkungsvoll unterstützt von der Bibermama, die sie einfach immer wieder ins kalte Wasser schubst. Dann beginnt ihre Lehrzeit, am Stundenplan stehen u.a. Nagen, Fällen, Dammbau. Gut ausgebildet müssen sie Hotel Mama nach 2 Jahren verlassen – falls nicht freiwillig, werden sie von den Eltern unsanft vertrieben.

Sie machen sich auf die Suche nach einem eigenen Revier, möglichst weit entfernt von der elterlichen Nachbarschaft. Während dieser Wanderung sind die Jungbiber großen Gefahren ausgesetzt (Kämpfe mit anderen Bibern, Autoverkehr), viele überleben diese Reise nicht. Haben sie endlich ein passendes Platzerl (und vielleicht auch ein Schatzerl) gefunden, steht der Familiengründung nichts mehr im Weg.

Starker Gestalter

Erstaunlich, wie der Biber seine Umgebung an seine Bedürfnisse anpasst. Durch den Bau von Dämmen steigt der Wasserspiegel des Baches, Bäche werden breiter. Abwechslung steht im Revier an erster Stelle – wir finden warme und kühlere Areale, hellere und dunklere; tiefe und seichte Zonen; Bereiche, in denen der Bach langsamer oder schneller fließt und ruhige Wasserflächen – die Biberteiche. Das gefällt nicht nur dem Biber, unglaublich schnell siedelt sich eine große Anzahl von Mitbewohnern an. Tiere, die hier ein „all inclusive Ressort“ finden: Nahrung, Versteck, Unterschlupf, Platz zur Vermehrung, Nistmöglichkeiten u.v.m.

Wer zieht hier ein?

Frösche, Käfer, Kröten, Libellen, Fische, Enten, Amphibien, Wildbienen, Fledermäuse, Vögel. Viele, oft bereits gefährdete Tier- und Pflanzenarten können sich hier ansiedeln und die Artenvielfalt steigt in diesen Bereichen immens.

Der Biber schafft richtige Bioinseln inmitten einer oft monotonen Landschaft, die Natur kehrt zurück. Hotspots der Biodiversität entstehen! In diesen Bereichen findet man ein eigenes Mikroklima. Renaturierung erfolgt durch die fabelhafte Gestaltungskraft des Bibers – komplett kostenlos. Niemand muss Geld in die Hand nehmen, Arbeiter bezahlen, Bagger auffahren lassen …

Doch Ingenieur Biber beeinflusst noch mehr!

  • Wasser wird in der Landschaft gehalten, kann in den Boden einsickern – der Grundwasserspiegel steigt
  • Wasser wird durch Dämme gefiltert – die Wasserqualität wird besser
  • bei Hochwasserereignissen lassen Dämme das Wasser langsamer abfließen, Hochwasserspitzen können abgemildert werden (bei den jetzt immer häufigeren Starkregenereignissen werden die Dämme allerdings leicht mitgerissen)

Also alles wunderbar?

Manchmal ist das Zusammenleben mit dem Biber eine Herausforderung, wir sind an seine Anwesenheit ja gar nicht mehr gewöhnt. Im Bereich von Biberrevieren kann es zu Untergrabungen von Wegen kommen, Wasser sich unter Brücken hoch aufstauen, über Straßen rinnen, in Felddrainagen zurückgestaut werden. Wiesen oder Äcker, die sich heutzutage oft bis zum Bachufer ziehen, können vernässen, Feldfrüchte verspeist und Bäume angenagt oder gefällt werden.

Natürlich geht die Sicherheit von Infrastruktur vor und auch Landwirte brauchen bei Problemen Unterstützung!

Doch was tun? Es gibt verschiedene Möglichkeiten, den Biber einzubremsen, beginnend bei Elektrozäunen zum Schutz der Kulturen, Umgitterung von Einzelbäumen, auch Dammdrainagen und Dammabsenkungen sind unter gewissen Voraussetzungen eine Option.

Allerdings – der Biber steht unter strengem Schutz, man darf ihn weder töten oder fangen, noch seine Bauwerke zerstören. Bitte nicht einfach Dämme selbständig öffnen oder entfernen! Es gibt die Biberberatungsstelle des Landes Steiermark, an die man sich wenden kann. Der Problembereich wird gemeinsam besucht und man versucht, eine rasche Lösung zu finden. Zusätzlich kann man finanzielle Förderungen für vorbeugende Schutzmaßnahmen beantragen. Ein Anruf bei der Biberberaterin lohnt sich allemal!

Versuchen wir, den Biber nicht als Problemtier zu sehen, sondern als Chance, mehr Natur an unsere Gewässer, in unsere Gemeinden zurückkehren zu lassen!

Kontakt:

Alexa Bökenbrink, M.Sc.
Biberberaterin des Landes Steiermark
alexa.böekenbrink@bergundnaturwacht.at
Biberhotline: 0660 717 0 933
Naturschutzhotline: 0664 224 22 20


!! Anmerkungen der Nachhaltig-in-Graz-Redaktion !!

Bleib mit unserem Newsletter informiert – er kommt unregelmäßig und nicht zu oft!

Gib hier Deine E-Mail Adresse ein, um per E-Mail über neue Beiträge auf Nachhaltig in Graz informiert zu werden.
(Double Opt In gemäß EU-DSGVO)
Loading

Folge uns gerne auf Instagram oder lade unsere kostenlose App Nachhaltig in Graz herunter.

Deine Spende wirkt – und ist von der Steuer absetzbar:

Du willst und kannst unser Tun auch finanziell unterstützen? Danke – uns hilft jeder Beitrag, um unsere Website in dieser Qualität und Fülle weiterführen zu können! Deine Spende ist von der Steuer absetzbar, wenn du uns deinen vollen Namen (laut Meldezettel) und dein Geburtsdatum bekannt gibst.

Verein „Nachhaltig in Graz“
BIC: STSPAT2GXXX
IBAN: AT20 2081 5000 4200 1552
Verwendungszweck: Spende/Name laut Meldezettel/Geburtsdatum

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert