Krisenstimmen: In dieser Rubrik ist Platz für eine andere Art der Annäherung an die Klimakrise, die Klimakatastrophe, den Klimakollaps. Keine wissenschaftlichen Artikel, keine Energiespartipps – hier wird der Frage nachgegangen, wie es uns eigentlich mit der Krisenstimmung geht. Und das in Form von Texten, die einmal eher erzählerisch, einmal eher nachdenklich oder ganz poetisch daherkommen können. Immer auf der Suche nach dem, was zwischen den Zeilen steht.
Unter die Haut
„Eh gut“, sage ich, während ich heißes Wasser über die zwei Teebeutel gieße, eh gut, und noch bevor ich mich umdrehe, zu ihr hin drehe, weiß ich, jetzt habe ich etwas Falsches gesagt. Sie hat das Gesicht abgewandt, als würde die dunkle Fensterscheibe ihre volle Aufmerksamkeit verlangen. „Und, wie geht’s dir?“ Ich muss mich neben sie stellen, um ihr die Teetasse zu reichen. Es dauert, bis sie antwortet.
„Ich hab’ das Gefühl, jetzt ist alles aus.“
Ich bemühe mich, ein Seufzen zu unterdrücken. Wir kennen uns lang genug. Wenn ich jetzt nicht nachfrage, können wir die nächste Viertelstunde in angespanntem Schweigen nebeneinander stehen. Bis sie mich irgendwann anschauen, mir patzige Abschiedsworte hinwerfen wird. Wir beide unsere Vorwürfe hinunterschlucken, sie in unseren Mägen weitergären lassen werden.
Ich weiß ja, was kommen wird: Trumps Angelobung, der Sommer, der hinter uns liegt, die Überschwemmungen, der Wahlausgang in Österreich, Feuer in Los Angeles, die Klimakonferenz, die trotz niedriger Erwartungen noch zur Enttäuschung werden konnte. Winter auf Lesbos, Winter auf Lampedusa.
Sie schaut mir ins Gesicht. Da ist diese Erwartung in ihrem Blick, wie früher, wenn sie nach Albträumen zu mir kam. Mit nackten Füßen stand sie auf dem Fleckerlteppich und wartete darauf, dass ich die Decke anhob.
Was soll ich machen. Ich sehe, was sie fühlt. Ich weiß das doch auch alles, was sie weiß. Aber ich bin heute in Lukas’ Wohnung aufgewacht und es hat sich so wunderbar nach zuhause angefühlt. Zu wissen, wo die Kaffeehäferl stehen, einfach das Radio aufzudrehen, ohne vorher zu fragen. Das ist das Glück, habe ich gedacht, einen kurzen Moment lang, bevor ich mich ertappt, schnell drei Mal auf Holz geklopft habe.
Ich sage noch immer nichts. Spüre, wie sich ein Panzer in mir aufbaut. Wie ich mich zu imprägnieren suche gegen die Pfeile, die mich erwarten. Fast kann ich sie vor mir sehen, die hornige Drachenhaut, die mein Inneres sich zulegt.
Dann denke ich an Lukas. Vor dem ich mich herausgeschält habe aus allen Häuten. So wie er vor mir. Bis wir einander in zittriger Verletzlichkeit gegenüber standen. Das ist das Glück, habe ich gedacht.
Die Drachenhaut schmilzt unter meinen warmen Teefingern.
„Na komm“, sage ich. „Erzähl!“
Text: Leonie Groihofer
Fotocredit: Elisabeth Groihofer
!! Anmerkungen der Nachhaltig-in-Graz-Redaktion !!
Bleib mit unserem Newsletter informiert – er kommt unregelmäßig und nicht zu oft!
Folge uns gerne auf Instagram oder lade unsere kostenlose App Nachhaltig in Graz herunter.
Deine Spende wirkt – und ist von der Steuer absetzbar:
Du willst und kannst unser Tun auch finanziell unterstützen? Danke – uns hilft jeder Beitrag, um unsere Website in dieser Qualität und Fülle weiterführen zu können! Deine Spende ist von der Steuer absetzbar, wenn du uns deinen vollen Namen (laut Meldezettel) und dein Geburtsdatum bekannt gibst.
Verein „Nachhaltig in Graz“
BIC: STSPAT2GXXX
IBAN: AT20 2081 5000 4200 1552
Verwendungszweck: Spende/Name laut Meldezettel/Geburtsdatum (Mehr dazu hier)