Selbstversorgungs- oder Bedarfswirtschaft
Subsistenzwirtschaft ist eine Wirtschaftsform, bei der Menschen ihren Lebensunterhalt hauptsächlich durch Eigenproduktion für den eigenen Bedarf bestreiten, ohne dabei vorrangig auf den Markt ausgerichtet zu sein. Diese Form der Wirtschaft basiert meist auf Landwirtschaft, aber auch auf Jagd, Fischerei und Sammeln. Das Ziel ist die Selbstversorgung, nicht die Erwirtschaftung von Gewinn oder Mehrwert.
Historische Entwicklung der Subsistenzwirtschaft
Historisch gesehen ist die Subsistenzwirtschaft die älteste Wirtschaftsform der Menschheit. Schon in der Frühzeit lebten Jäger, Sammler und später die ersten Bauern überwiegend in Subsistenzsystemen, um den Bedarf ihrer Gemeinschaften zu decken. Der Übergang von Jagen und Sammeln zur bäuerlichen Subsistenzwirtschaft vollzog sich rund um 6000 vor Christus in Mitteleuropa, als Menschen begannen, durch Ackerbau und Viehzucht ihre Ernährung weitgehend selbst zu sichern. In der Antike waren noch etwa 90% der Bevölkerung subsistenzwirtschaftlich tätig. Erst durch zunehmende Urbanisierung und Spezialisierung entstand eine Überschussproduktion, die den Handel und eine Arbeitsteilung ermöglichte.
Kapitalismus: Die Aufgabe der Subsistenzwirtschaft erfolgte nicht freiwillig!
Der Kapitalismus begann die Subsistenzwirtschaft vor allem ab dem 18. Jahrhundert zu verdrängen, mit dem Beginn der industriellen Revolution in Europa. Die industrielle Revolution führte zu einer grundlegenden Umgestaltung der Produktionsweisen, die vorher vor allem durch Subsistenzwirtschaft und handwerkliche Betriebe geprägt waren. Die Entstehung des Kapitalismus war aber nicht ein natürlicher oder gerechter Prozess, wie er gern und oft dargestellt wird, sondern ein gewaltsamer Bruch in der Geschichte der menschlichen Wirtschaft.
Ursprüngliche Akkumulation
Die ursprüngliche Akkumulation ist also nicht nur eine wirtschaftliche Entwicklung, sondern auch eine „historische Expropriation“ und gewaltsame Trennung, von der bis heute Armut und soziale Ungerechtigkeit herrühren. Die gewaltsame Verdrängung der Subsistenzwirtschaft durch den Kapitalismus erfolgte aus mehreren Gründen:

- Entstehung eines Marktes und Lohnarbeit: Durch die Enteignung von Bauern und Handwerkern (oft als „ursprüngliche Akkumulation“ beschrieben) wurde vielen Menschen ihre Selbstversorgung entzogen. Sie verloren ihre Produktionsmittel wie Land und Werkzeuge und wurden so gezwungen, auf Lohnarbeit angewiesen zu sein, um sich zu ernähren. Dadurch entstand ein innerer Markt, auf dem ehemals selbst produzierte Güter nun gekauft werden mussten.
- Politische und rechtliche Zwangsmittel: Die Enteignungen wurden durch staatliche Gewalt, Gesetze und Rücksichtslosigkeit gegen bäuerliche Rechte durchgesetzt. Dies umfasste die Privatisierung von gemeinsamen Ländereien (sogenannte „Einhegungen„), den Raub von Kirchengütern und Gemeindeland sowie die Umwandlung feudalen Eigentums in Privateigentum.
- Zerstörung traditioneller Wirtschaftsformen: Die Enteignung zerstörte die zuvor vorherrschende Subsistenzwirtschaft, die oftmals auf gemeinschaftlicher Nutzung von Ressourcen beruhte.
- Akkumulation und Konzentration von Kapital: Kapitalistische Unternehmer schufen eine kapitalistische Produktionsweise, die auf Gewinnmaximierung und Marktmechanismen beruhte. Traditionelle Subsistenzformen konnten mit dieser neuen marktorientierten und arbeitsteiligen Wirtschaftsweise nicht konkurrieren.
- Konzentration von Eigentum zur kapitalistischen Produktion: Das Land wurde in Privateigentum überführt und in kapitalistische Agrarwirtschaft integriert. Dies schuf die Grundlage für größere landwirtschaftliche Betriebe und für die Versorgung der Städte mit Nahrungsmitteln.
- Technologische Neuerungen und Arbeitsteilung: Maschinen und Fabrikarbeit ermöglichten eine viel höhere Produktivität als die extensiven, oft traditionellen Methoden der Subsistenzwirtschaft. Dies führte zur Herausbildung großer industrieller Zentren und einer starken Urbanisierung, wodurch ländliche Subsistenzformen weiter zurückgedrängt wurden.
- Kolonialismus und Weltmarkt: Die Ausweitung des Kapitalismus wurde durch den Aufbau von Kolonialsystemen und den globalen Handel unterstützt, was den Druck auf lokale Subsistenzwirtschaften verstärkte.
Zeitrahmen
Insgesamt begann dieser Prozess der Verdrängung seit dem späten Mittelalter und spitzte sich mit der intensiven Entwicklung des Kapitalismus im 18. und 19. Jahrhundert stark zu. Die zuvor relativ selbstständigen bäuerlichen Haushalte wurden in kapitalistische Produktionsverhältnisse integriert oder ganz enteignet. Die Subsistenzwirtschaft wurde durch kapitalistische Marktwirtschaft und industrielle Produktion zunehmend verdrängt, jedoch nie vollständig ausgerottet, sondern ist in vielen Regionen noch heute in veränderter Form präsent.
Warum durften Bauern enteignet werden?
Zusammengefasst durften die Bauern enteignet werden, weil der aufkommende Kapitalismus und die ihn stützenden politischen Kräfte das Privateigentum an Produktionsmitteln (insbesondere Land) zu einer Grundlage für seine Weiterentwicklung machten. Die dafür eingesetzten Mittel waren oft Zwang, Gewalt und rechtliche Umstrukturierung, um die Bauern von ihrer traditionellen, selbstversorgenden Lebensweise zu trennen und eine lohnabhängige Arbeiterschaft herzustellen. Dies war ein zentraler Schritt zur Entwicklung der Marktwirtschaft und Industriegesellschaft.
Diese Entwicklung ist zentral, um die heutigen sozioökonomischen Strukturen zu verstehen, bei denen insbesondere Kleinbauern und Subsistenzbetriebe unter starkem Wettbewerbs- und Preisdruck auf globalen Märkten stehen. Die Folgen sind tiefgreifend für ländliche Gesellschaften und Ernährungssicherung weltweit.
Merkmale und Methoden der Subsistenzwirtschaft
Subsistenzwirtschaft ist traditionell durch geringe Arbeitsteilung, fehlende Marktorientierung und das Fehlen eines Gewinnstrebens gekennzeichnet. Die Produktion erfolgt meist mit traditionellen, extensiven Methoden, ohne moderne Technologien, und ist oft ressourcenschonend. Diese Wirtschaftsform bietet Menschen ein weitgehend unabhängiges und selbstbestimmtes Auskommen, was in vielen Regionen, besonders in Entwicklungsländern, weiterhin relevant ist.
Subsistenzwirtschaft im 21. Jahrhundert
Heute leben weltweit noch mehr als 40 Prozent der Menschen in Subsistenzwirtschaften, vor allem in Afrika, Lateinamerika und Teilen Asiens. Dort stellt sie eine wichtige Grundlage für Ernährungssicherung dar, auch wenn viele Kleinbauern unter Armut und unsicheren Ernten leiden. In Industriestaaten ist Subsistenzwirtschaft meist ein Zusatz zur Marktwirtschaft, beispielsweise durch urbane Landwirtschaft oder Gemeinschaftsgärten, die als Teil nachhaltiger und wachstumskritischer Konzepte diskutiert werden.
Vor- und Nachteile der Subsistenzwirtschaft
Die Subsistenzwirtschaft hat vor allem Vor- und nur wenige Nachteile: Sie ermöglicht Unabhängigkeit von globalen Märkten und fördert den Erhalt traditioneller Anbaumethoden. Allerdings ist sie häufig mit geringer Produktivität, hoher Arbeitsintensität und Abhängigkeit von Wetterbedingungen verbunden. Zugleich steht sie für eine nachhaltige Nutzung lokaler Ressourcen und kann in ihrer gemeinschaftlichen Form soziale Bindungen stärken.
Subsistenzwirtschaft im Klimakollaps
Die Subsistenzwirtschaft spielt in Zeiten des Klimakollapses eine bedeutsame Rolle, da sie auf Prinzipien der Selbstversorgung, Ressourcenschonung und lokalen Anpassung basiert, die angesichts der globalen Umweltkrise und der Instabilität der weltweiten Märkte zunehmend an Bedeutung gewinnen.
Wesentliche Aspekte der Rolle der Subsistenzwirtschaft im Kontext des Klimakollapses sind:
- Resilienz und Anpassungsfähigkeit: Subsistenzwirtschaftliche Gemeinschaften nutzen traditionelles Wissen und vielfältige lokale Ressourcen, was ihnen hilft, besser mit den unvorhersehbaren Folgen des Klimawandels wie extremen Wetterereignissen und veränderten Umweltbedingungen umzugehen. Sie sind häufig flexibler als großindustrielle Landwirtschaften und können sich auf kleinräumige Veränderungen schneller einstellen.
- Ressourcenschonende Produktionsweise: Im Gegensatz zur großindustriellen Landwirtschaft arbeitet die Subsistenzwirtschaft oft mit extensiven, nachhaltigen Methoden, die Böden, Wasser und Biodiversität schützen. Die Nutzung lokaler Ressourcen, geringe Transportwege und der Verzicht auf intensive chemische Mittel führen zu einem geringeren ökologischen Fußabdruck.
- Ernährungssicherung in Krisenzeiten: In vielen Regionen, insbesondere in Afrika, Lateinamerika und Teilen Asiens, sichert Subsistenzwirtschaft die Ernährung von Millionen Menschen. Gerade in Krisensituationen durch Klimaveränderungen bietet sie eine wichtige Basis für Nahrungssouveränität, da die Produktion weniger von globalen Lieferketten abhängig ist.
- Soziale Vernetzung und Gemeinschaftsstärkung: Subsistenzwirtschaft fördert Gemeinschaft und gegenseitige Unterstützung, was in Zeiten von Umweltkrisen die soziale Resilienz stärkt.
Gleichzeitig steht die Subsistenzwirtschaft vor Herausforderungen wie dem Einfluss des Klimawandels auf Ressourcenverfügbarkeit, unsicheren Ernten und dem Risiko, dass traditionelle Praktiken an Grenzen stoßen können. Deshalb ist die Kombination aus traditionellem Wissen und modernen klimaresilienten Methoden entscheidend für eine nachhaltige Zukunft.
Insgesamt bietet die Subsistenzwirtschaft wichtige Ansatzpunkte für klimagerechtes Handeln, indem sie nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen fördert, lokale Anpassungsstrategien stärkt und Nahrungssicherheit in einer sich wandelnden Welt gewährleistet. Sie stellt damit einen bedeutenden Baustein dar, um den sozialen und ökologischen Herausforderungen des Klimakollapses zu begegnen.
Subsistenzwirtschaft und Nachhaltigkeit – eine Perspektive für die Zukunft
Diese Perspektive ist vor allem relevant für nachhaltigkeitsorientierte Gemeinschaften und Regionen, die auf lokale Ressourcen angewiesen sind und alternative Lebens- und Wirtschaftsformen suchen, etwa auch in der Diskussion um Postwachstumsökonomie und Klimaanpassung.
Fazit
Zusammengefasst ist die Subsistenzwirtschaft eine Wirtschaftsform mit langer Geschichte, die heute noch vielen Menschen weltweit den Lebensunterhalt sichert und in Zukunft als wichtiger Baustein nachhaltiger Lebensweisen dienen kann. Sie steht für Selbstversorgung, Tradition, Nachhaltigkeit und soziale Vernetzung – Werte, die gerade in Zeiten von Klimawandel und Ressourcenknappheit hohe Relevanz gewinnen.
Quellen:
- https://de.wikipedia.org/wiki/Subsistenzwirtschaft
- https://forschungsnetzwerk.ams.at/elibrary/publikation/sonstiges/2010/subsistenz.-geschichte–bedeutung-und-rekonstruktion-des-subsistenzbegriffes.html
- https://mpra.ub.uni-muenchen.de/24553/
- https://www.bpb.de/themen/kriege-konflikte/dossier-kriege-konflikte/504337/subsistenzlandwirtschaft/
- https://wirtschaftsvision.de/subsistenzwirtschaft-was-ist-die-subsistenzwirtschaft/
- https://www.agrarraum.info/lexikon/subsistenzwirtschaft
- https://frauenhetz.jetzt/wp-content/uploads/2020/12/A.Ko%CC%88lzer.pdf
- https://www.moneymuseum.com/de/videocall/stories/subsistenzwirtschaft-ueberholt-434
- https://rep.adw-goe.de/bitstream/handle/11858/2865/08%20Von%20der%20Subsistenzwirtschaft%20zur%20Gewinnorientierung.pdf?sequence=1&isAllowed=y
- https://www.studies4future.de/post/potenziale-moderner-subsistenzwirtschaft-teil-1
- https://utopia.de/ratgeber/subsistenz-das-bedeutet-der-begriff-in-der-nachhaltigkeitsforschung_188099/
- https://de.wikipedia.org/wiki/Urspr%C3%BCngliche_Akkumulation
- https://etosmedia.de/politik/wie-der-kapitalismus-durch-raub-gewalt-und-betrug-geboren-wurde/
- https://www.grundrisse.net/grundrisse02/2akkumulation.htm
- https://nachhaltigkeit-wirtschaft.de/subsistenzwirtschaft-und-nachhaltigkeit-wie-selbstversorgende-gemeinschaften-zur-nachhaltigkeit-beitragen/
!! Anmerkungen der Nachhaltig-in-Graz-Redaktion !!
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