Save the date: Am 24. September 2024 kommt Helga Kromp-Kolb wieder nach Graz. Sie wird auf Einladung der Stadtbibliothek Graz im Ressourcenpark Graz zum Thema „Klimaproblematik im Ressourcen-Kontext“ sprechen. Mehr dazu hier.
Im Folgenden aber ein paar wertvolle Passagen aus einem Ö1-Interview vom 5. Mai 2024:
Wir sind Teil der Lösung
Ö1-Interview „Gedanken“ vom 5. Mai 2024 mit Dr. Helga Kromp-Kolb. Sie ist Österreichs führende Klimaforscherin. Seit bald 50 Jahren engagiert sie sich für unsere Umwelt. Der Kampf gegen den Klimawandel ist ihr Lebensthema.
„Wenn wir in eine nachhaltige Zukunft wollen, dann geht es nicht nur um den Klimawandel. Es gibt neben dem Klimawandel das Problem des Biodiversitätsverlustes, es gibt das Problem der Versauerung der Ozeane, es gibt eine Fülle von sozialen Problemen. Wir haben also eine Fülle an globalen Herausforderungen, die wir lösen müssen. Und die gemeinsame Wurzel dieser Herausforderungen ist, dass wir unseren Planeten überfordern. Wir entnehmen ihm zu viel, das kann er nicht in der Zeit reproduzieren, und wir lagern zu viel in ihm ab, wie zum Beispiel Treibhausgase, die kann er nicht in der selben Zeit wieder wettmachen durch mehr Pflanzenwachstum oder was auch immer. Das heißt, dieses Überfordern unseres Planeten ist das, wo wir eigentlich ansetzen müssen.“
Seit mehreren Jahrzehnten liegt der Ressourcenverbrauch deutlich jenseits der Kapazitätsgrenze des Planeten. Es droht ein Kollaps des Systems, bzw. scheint dieser unausweichlich. Denn um den Kollaps zu verhindern, genügt kein vermindertes Wachstum mehr. Wir stehen vor einer viel größeren Herausforderung: der Notwendigkeit des realen „Zurückfahrens“. Und diese Tatsache ist meist mit großer Angst vor Verzicht verbunden.
„Wir werden, das sind so Schätzungen, mit der halben Energiemenge auskommen müssen. Mit wesentlich weniger anderen Ressourcen auskommen müssen. Wir haben keine unbegrenzten Flächen. Das heißt, wir müssen auch schauen, dass wir die Flächen sinnvoll nützen. Und daraus ergeben sich eine Fülle von Konsequenzen. Wenn wir bei der Fläche bleiben: Von der landwirtschaftlich genutzten Fläche werden ungefähr 77% für die Erzeugung von Futtermitteln für Nutztiere verwendet. Und das Fleisch, das damit produziert wird, liefert aber nur ein Drittel der Kalorien. Das heißt wir verbrauchen drei Viertel der Fläche für ganz wenig Ernährung. Das hat mit Klima zunächst noch gar nichts zu tun, sondern sagt nur, wenn wir mehr Menschen sind, müssen wir schauen, dass wir die Fläche so nützen, dass alle etwas zu essen haben. Das wird nicht über Fleisch gehen, dazu braucht es zu viel Fläche.
Das sind Veränderungen, die haben nichts mit Technologie zu tun.
Die haben etwas mit einem anderen Denken zu tun: Wie gehen wir mit der Natur um? Wie gehen wir mit den Ressourcen um, die wir zur Verfügung haben? Natürlich brauchen wir Technologien, wir brauchen die Erneuerbaren Energien, weil die fossilen Energien eben zu Klimawandel, zur Versauerung des Ozeans und nebenbei auch zu Gesundheitsschäden führen. Es sterben jedes Jahr an die 8 Millionen Menschen an Feinstauberkrankungen, die aus fossilen Energiequellen kommen. Das heißt, es gibt viele Gründe hier umzusteigen, aber das ist jetzt nicht das übergeordnete Ziel. Das übergeordnete Ziel muss sein, dass wir einen Umgang mit unserem Planeten finden, der es uns ermöglicht, als Menschheit, als Zivilisation zu überleben, und das in nach wie vor wachsender Zahl.
Das Bevölkerungswachstum ist auch etwas, wo man durchaus etwas dagegen tun muss. Ich halte es immer nur für bedenklich, wenn wir über das Bevölkerungswachstum reden, wenn es eigentlich unser Problem ist, dass wir zu viel Ressourcen pro Person brauchen. Und die Länder, wo das Bevölkerungswachstum groß ist, reden dann über den Lebensstil, der uns angeht. Also kehren wir vor der eigenen Tür. Schauen wir uns unseren Lebensstil an.
Und da werden wir mit wesentlich weniger auskommen müssen.
Und das ist meines Erachtens ganz wesentlich. Das ist nicht ein zurück auf die Bäume oder in die Steinzeit, sondern das ist – Niko Paech nennt es „Befreiung vom Überfluss“ – und das finde ich einen sehr schönen Begriff.
Weil ich glaube, die Lebensqualität wesentlich höher sein kann, wenn der Lebensstandard auch niedriger ist.
Also wir brauchen nicht die riesigen Bildschirme, wir brauchen nicht die drei Autos vor der Haustür, um glücklich zu sein.
Glücklich können wir auch mit viel weniger sein.
Und das herauszuarbeiten, was brauchen wir wirklich zum Glücklichsein, was wollen wir unbedingt behalten und was können wir loslassen? Und ich glaube, dass wir da als Gesellschaft gar nicht so weit auseinander liegen.
Ich vermute, dass der Verzicht so bedrohlich ausschaut, weil wir nicht wirklich sehen, was wir gewinnen.
Ich glaube, es fehlt uns das Bild, wie könnte es schöner sein, wo gehen wir eigentlich hin? Wir hören immer nur, was wir zurücklassen sollten. Das hören wir von der einen Seite, die andere Seite bietet das also massiv und unheimlich psychologisch geschickt an. Aber ganz wenig wird darüber geretdet, was wollen wir eigentlich erreichen, wie soll eine schöne Zukunft aussehen? Ich glaube, das ist etwas, für das sich im Moment niemand zuständig fühlt. Die Wissenschaft ist nicht wirklich geeignet dafür, weil dieses kreative Denken eher etwas Künstlerisches ist. Ja, in der Wissenschaft geht es auch ums kreative Denken, aber es geht eigentlich um Problemlösung und nicht um Visionen.
Nichtsdestotrotz, es gibt immer mehr Wissenschafter, die sich mit Vision beschäftigen, weil sie sehen, dass wir sie so dringend brauchen. Und weil es außerdem unheimlich befriedigend ist, an so etwas zu arbeiten.
Die Kunst wäre ein Mittel, wirklich uns Visionen näher zu bringen.
Ich glaube, die Kunst kämpft noch damit, was ihr Beitrag zur Nachhaltigkeit sein kann. Und ich glaube, das wäre einer ganz wesentlicher, Visionen aufzuzeigen. Wie immer das funktioniert, ich bin keine Künstlerin. Eigentlich sollten Politiker Visionen haben. Und mein Verdacht ist, dass wir viel zu wenig Politiker und Politikerinnen haben, die eine Vorstellung davon haben, wohin soll es gehen und viel mehr das als Befriedigung persönlicher Machtinteressen, Ansehen … das macht sich im Lebenslauf gut … oder was immer. Das gilt glaube ich durchgängig und das gilt auch für andere Funktionen. Also ein Mahatma Gandhi hat wahrscheinlich nicht agiert, weil er berühmt werden wollte, sondern weil er seinem Land helfen wollte, weil er seinen Mitbürgern helfen wollte.
Dieser Aspekt des Dienens einer Zukunft und zwar einer langfristigen, der geht mir viel zu sehr ab in der Politik.
Jetzt bin ich nie in der Politik gewesen, das heißt, ich weiß nicht, welchen Zwängen man dort unterliegt. Aber das liegt aber dann auch an uns allen, dafür zu sorgen, dass die Rahmenbedingungen so sind, dass Menschen mit Visionen auch tatsächlich in die Politik gehen können und dort Chancen haben, über diese Visionen zu reden. Da bin ich auch wieder bei den Medien, die glaube ich hier eine wichtige Rolle hätten. Dass sie schon auch das immer wieder hinterfragen.
Wir tun immer so, als ob der Klimawandel ein Naturproblem wäre. Aber letztlich ist er ein gesellschaftliches Problem.
Das heißt, wir kommen wirtschaftlich in Schwierigkeiten, wir kommen politisch in Schwierigkeiten, und dazu muss man gar nicht die Migranten bemühen, die einfach in Gebieten leben, in denen sie nicht mehr leben können. Wenn der Meeresspiegel steigt, wenn es zu heißt wird, um dort zu leben, wo ich derzeit leben oder um dort Landwirtschaft zu betreiben, wo ich es bisher betrieben habe, wenn ich nichts mehr ernte, dann muss man weg von dort, dann muss man irgendwo anders hin. Der kleinste Teil kommt nach Europa. Aber selbst wenn es in Afrika, in Asien zu Unruhen kommt, spüren wir das.
Das heißt, es hat gesellschaftliche Konsequenzen. Und auch in Österreich. Betroffen sind in Österreich in den Städten vor allem die Menschen, die in den dichter besiedelten, schlechter gebauten Teilen der Stadt wohnen, wo es weniger Grün gibt. Das heißt, denen es wirtschaftlich schlechter geht, die sind dann auch noch in dem Teil der Stadt, der sich schneller erwärmt. Sie haben auch weniger Möglichkeiten, dann auch abends noch in den Wiener Wald zu fahren oder was immer oder in den Urlaub zu fahren. Sie sind auch medizinisch schlechter versorgt.
Das heißt, der Klimawandel spaltet die Gesellschaft mehr. Er betrifft die, denen es jetzt schon schlechter geht, stärker als die, denen es jetzt gut geht.
Die stellen sich halt ein weiteres Klimagerät auf und belasten damit alle anderen noch einmal. Das heißt, das gibt soziale Spannungen. Das sind auch so selbstverstärkende Mechanismen, das führt halt dann immer weiter zu durchaus politischen Problemen und das kann zwischen Nationen durchaus auch zu Krieg, zu Auseinandersetzungen führen. Und nachdem es ja kaum eine Auseinandersetzung mehr gibt auf der Welt, wo die Großmächte nicht beteiligt sind in irgendeiner Form, auf der einen oder anderen oder beiden Seiten, hat das natürlich auch Implikationen für mögliche Nuklearkriege.
Das heißt, der Klimawandel ist zwar eine Veränderung in der Natur, aber hat unheimliche Konsequenzen für die Gesellschaft. Und ich glaube eigentlich nicht, dass wir alle den Hitzetod leiden werden, ich glaube nicht, dass es soweit gehen wird, sondern wir werden vorher Atombomben werfen. Das heißt, ein Ende mit Schrecken. Es wird Überlebende geben, aber große Teile der Welt werden nicht mehr bewohnbar sein für Menschen. Das heißt, es ist ein – ja – gesellschaftliches, ein politisches Problem in erster Linie. Und das muss auch die Gesellschaft lösen.
Es geht nicht darum, dass es am Abend wärmer ist, und man draußen sitzen kann.
Wir befinden uns jetzt in Zeiten des Umbruches und es kann eigentlich niemand genau sagen, auch die Wissenschaft nicht und zwar grundsätzlich nicht, wie soll die Zukunft ausschauen. Das heißt, es ist ein Aushandlungsprozess. Die Wissenschaft kann helfen, zu sagen, das ist ein Weg der führt zu den und den problematischen Nebenwirkungen. Aber wo wir wirklich hinwollen und wie wir genau dort hin kommen, das ist ein gesellschaftlicher Aushandlungsprozess. Und wenn wir nicht mehr in der Lage sind, auszuhandeln, weil Meinungen, die nicht von vornherein mehrheitsfähig sind, nicht mehr zugelassen werden, gar nicht mehr diskutiert werden, dann finden wir diesen Weg in die Zukunft nicht. Dann finden wir weder die Vision, die wir brauchen, noch den Weg dorthin.
Und ich glaube aber, es wäre gar nicht so schwer. Ich glaube, dass eine gemeinsame Vision zu erstellen, nicht schwer ist.
Ich glaube, die meisten Menschen haben durchaus ähnliche Vorstellungen von der Zukunft. Im Detail wird es dann schwierig, aber genau das muss man eben aushandeln. Und da muss dann jeder sehen, dass wir das große Bild nicht erreichen können, wenn nicht jeder in irgendwelchen Bereichen ein bisschen nachgibt.
Kompromisslosigkeit führt uns nicht zum Ziel.
Mein Mann hat neulich den Vergleich gebracht, wir sitzen alle in einem Boot oder in einem Floß, das schon sehr viel eingesunken ist. Man könnte auch sagen, es rinnt Wasser ein und wir müssen eigentlich alle gemeinsam schöpfen. Und schauen, dass wir uns alle so wenig als möglich auseinandersetzen, weil ein Schaukeln verträgt dieses Boot nicht mehr, dann gehen wir alle unter.
Dieses Verständnis, dass wir alle im selben Boot sitzen und dass wir jetzt gemeinsam eine Lösung suchen müssen und alles vermeiden müssen, was uns gegeneinander aufbringt, und was das Suchen nach dieser Lösung erschwert, das fehlt.
Ich halte es für unglaublich wichtig, dass man sich für Frieden einsetzt. Wie er ausschaut, das ist Verhandlungssache. Aber es muss Frieden geben. Frieden ist die Voraussetzung für Nachhaltigkeit und Nachhaltigkeit umgekehrt auch wieder eine Voraussetzung für Frieden. Die zwei sind untrennbar. Das sieht auch die UNO so. Das steht auch in den Nachhaltigen Entwicklungszielen so.
Daher halte ich es für völlig verfehlte Politik, wenn man nicht über Frieden redet. Sondern wenn man Friedensgespräche sogar verbietet. Oder wenn man über Selbstverteidigungsrecht redet, ohne gleichzeitig über Frieden zu reden. Das ist genau das, was es dann unmöglich macht, im Boot gemeinsam zu arbeiten, weil das Misstrauen einfach steigt. Weil man nicht mehr daran glaubt, dass das was der Gegner sagt, ernst gemeint ist.
Er ist zwar ein Gegner, aber er ist trotzdem im selben Boot.
Und so ähnlich wie man in einer Familie ja keinen endgültigen Bruch will, sollte man das auch in der Völkerfamilie nicht wollen. Man sollte keine endgültigen Brüche haben, sondern man sollte Lösungen suchen. Und Österreich war eine Zeit lang wirklich weltführend in der Suche nach Lösungen. Ich finde es schade, dass Österreich diese Position aufgegeben hat. Österreich hat gute Voraussetzungen, hat gute Diplomatie. Österreich kann Frieden vermitteln oder zumindest Möglichkeiten schaffen, über Frieden zu reden. Aber nicht, wenn es irgendwo Positionen bezieht.
Das finde ich einen wirklichen Verlust für das österreichische Ansehen und für die österreichische Politik und für die Art, wie Österreich in der Welt wirken kann. Wir haben viele Bereiche, wo wir nicht wirken können, weil wir zu klein sind, DAS sind Sachen, wo wir wirken können. Wir können vermitteln, wir können Gespräche ermöglichen, und wir können auch in manchen Sachen mit gutem Beispiel vorangehen. Da wäre eigentlich die Aufgabe Österreichs und die haben wir glaube ich aus den Augen verloren.
Wir waren im Umweltschutz sehr gut, wir waren den Staaten der Europäischen Union weit voraus.
Das war auch eine der Befürchtungen, warum viele nicht in die EU gehen wollten, weil sie Angst hatten, dass unsere Umweltstandards verwässert werden. In Wirklichkeit ist das Gegenteil passiert, das haben wir damals nicht vorausgesehen. Die EU ist immer weiter gegangen, ist immer strenger geworden und wir haben uns auf unseren Lorbeeren ausgeruht. Wir haben uns darauf ausgeruht, dass wir ja ohnehin umweltfreundlich sind und haben nicht mitgezogen. Im Gegenteil, es hat sich sozusagen eine Diktion entwickelt, die anderen müssen zuerst.
Und das überträgt sich jetzt auf die gesamte Klimadiskussion, China muss zuerst … Mir kommt es vor wie Schüler, die in die Schule kommen, Erstklassler und einen Teil des Alphabets können, dann versäumen sie den Zeitpunkt, wo sie die Buchstaben, die sie bis jetzt noch nicht konnten, auch lernen müssen. Oder die vielleicht die Zahlen schon gekonnt haben und versäumen den Zeitpunkt, wo man jetzt mitdenken muss, weil jetzt lernt man addieren und subtrahieren. Und wir haben das irgendwie versäumt. Besonders problematisch sehe ich daran, dass dieses „wir haben es versäumt“ unsere Institutionen sind, die es versäumt haben. Es geht nicht um die einzelne Firma. Sehr viele Firmen haben das durchaus gesehen und sehen es immer noch.
Aber unsere Sozialpartner im Wesentlichen haben nicht den Weitblick gehabt, den man eigentlich braucht, um als Sozialpartner wirksam zu sein. Um sozusagen für die eigene Klientel wirklich die Zukunft zu sichern.
Ich glaube, wir haben einfach den Zeitpunkt versäumt. Das heißt nicht, dass man es nicht aufholen kann. Natürlich kann man es aufholen, aber dann muss man sich dahinter klemmen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Gesellschaften ganz stark davon beseelt, erstens „nie wieder Krieg“ und zweitens „gemeinsam schaffen wir das“. Den Wiederaufbau … und ist ja auch passiert. Es ist ja auch gelungen. Die Leute haben zusammen gearbeitet und es hat so etwas gegeben wie „die Gesellschaft“, wie das Gemeinsame. Ich rede vor allem über die westliche Welt. Ich habe zwar ein bisschen Einblick auch in die östliche, aber das bezieht sich auf die westliche Welt. Unter Reagan und Thatcher hat sich ein grundlegender Wandel vollzogen im Denken, der eigentlich geheißen hat, wenn jeder schaut, dass er für sich selber das Beste herausholt, dann muss es ja auch für alle am besten sein. Weil wenn jeder das Beste hat, dann haben alle das Beste, sozusagen. Das geht durchaus auf Ökonomen zurück, es war nicht die Erfindung von Reagan und Thatcher, aber sie haben es ganz stark politisch umgesetzt. Das Problem dabei ist, dass es einfach nicht stimmt. Dass dieses Zentrieren auf das Beste für sich selbst herauszuholen eben nicht dazu führt, dass es für alle am besten ist.
Weil es eben schon so etwas gibt wie eine Gesellschaft, eine Gemeinschaft. Und vieles muss in der Gemeinschaft gelöst werden.
Und das hat dazu geführt, wenn man das ignoriert, dass eben tatsächlich die Menschen immer mehr dazu gekommen sind, zu schauen für sich selbst zu optimieren, für ihre Firma zu optimieren, für ihre Gemeinde zu optimieren. Dann geht vieles verloren. Ganz krass war das bei den Eisenbahnen in England. Die in dieser Zeit ja auch privatisiert wurden, „weil nachdem es ja keine Gemeinschaft gibt, keine Gesellschaft, soll sie auch nichts besitzen. Und Wettbewerb ist sozusagen die beste Garantie für gute Lösungen“ – und das hat dazu geführt, dass das Bahnsystem in England unbrauchbar geworden ist.
Die Zusammenhänge sind, glaube ich, nicht wirklich schnell genug erkannt worden, um diesen Schaden rasch zu beheben. Dieses Leistungsprinzip „jeder soll schauen, dass es für sich das Beste ist“ hat natürlich auch zur Konsequenz bzw impliziert, dass jeder die selben Voraussetzungen hat. Um es plakativ zu sagen, wenn es darum geht, wer am schnellsten am Futtertrog ist und ich lasse alle gleichzeitig antreten, den 3-Jährigen gleichzeitig mit dem Sprint-Weltmeister, dann haben die nicht gleiche Chancen.
Es kann jetzt jeder versuchen, für sich das Beste herauszuholen, aber es wird immer der Selbe das kriegen. Und dieses Prinzip ist unheimlich tief in uns verankert.
Also „Leistung muss sich lohnen“. Und es ist ja nicht falsch, aber die Art der Anwendung ist falsch. Natürlich soll jemand, der sich anstrengt auch belohnt werden für die Anstrengung. Aber das ist nur ein Teil. Im Grunde genommen kann ich dieses Prinzip nur dann anwenden, wenn ich sicher bin, dass alle die gleiche Ausgangsbasis haben. Das haben sie nicht. Erstens sind die Menschen alle verschieden, manche können das eine besser und manche das andere. Und außerdem sind die Rahmenbedingungen, unter denen die einzelnen Menschen arbeiten, sehr verschieden.
Manche Menschen kommen aus einer Familie, wo eine gute Bildung selbstverständlich ist und andere müssen sie sich mühsam erarbeiten oder kommen gar nicht dazu, sie sich zu erarbeiten, weil sie ununterbrochen darauf schauen müssen, dass sie Geld verdienen. Oder weil das Milieu gar nicht so ist, dass es ihnen bewusst wird, dass das ein wesentlicher Faktor ist. Es gibt also sehr viele Hindernisse, die dazu führen, dass wir nicht eine Gesellschaft sind, mit gleichen Voraussetzungen. Und dieses Denken, dieses Denken in Richtung auf, der Einzelne soll für sich schauen, dass es ihm gut geht und je stärker er sich bemüht, desto besser wird es ihm gehen, und desto besser geht es uns allen, dieses Denken muss durchbrochen werden.
Und es hat sich ja aus der langen Zeit, die jetzt der Thatcherismus, der Neoliberalismus Zeit hatte, sich zu bewähren, hat es sich ja gezeigt, dass er sich nicht bewährt.
Das ist sehr schwer, theoretisch festzulegen, wo Grenzen sind, wie lange man verhandeln muss und wann man halt einfach einen Beschluss fassen muss. Ich glaube, es setzt eine gewisse Reife aller Beteiligten voraus. Und das ist natürlich auch ein Lernprozess, der manchmal auch harte Wahrheiten erfordert. Ich glaube man muss dann auch einmal in einer durchaus geeigneten Form aber jemanden sagen, pass auf, dich interessiert das oder du hast hier eine ausgeprägte Meinung, aber jetzt horch einmal, was die anderen sagen. Es kann nicht darum gehen, dass man die eigene Meinung gegen alle anderen durchsetzt. Sondern es geht eigentlich darum, Argumente zu finden und wenn die Argumente nicht überzeugend sind, dann muss man sich auch damit abfinden, dass eine Entscheidung anders gefällt wird, als man sie selbst haben möchte.
Man kann dann weitere Argumente suchen und bessere Belege für diese Argumente, aber man kann nicht von vornherein jeden Prozess blockieren.
Das ist Handwerkszeug eigentlich. Das müssen wir erlernen. Ich glaube, dass viele Menschen das können. Aber es gibt fast in jeder Gruppe den einen oder den anderen, der eine andere Vorstellung davon hat, wie wichtig die eigene Meinung ist. Da müssen wir auch erlernen, wie man das in einer guten Weise mitteilt, in einer durchaus den anderen achtenden Form, das einen trotzdem weiter bringt. Weil wir haben die Zeit nicht, das alles bis zum Ende durch zu diskutieren. Wir müssen auch akzeptieren und ich glaube, das wäre in vielen Fällen eine Lösung. Naja, es schaut so aus, als ob der geringste Widerstand gegen diese Lösung vorhanden wäre, dann versuchen wir es einmal. Nehmen wir uns vor, dass wir das in – was immer auch angemessen ist – in zwei Wochen, zwei Monaten oder zwei Jahren – anschauen, ob es die richtige Entscheidung war. Und dann überlegen wir das ganze noch einmal.
Ich glaube, dieses einmal Versuchen, Beobachten, wie es sich auswirkt, ob es das tut, was man sich davon erwartet.
Zum Beispiel, dass man eine Straße für den Verkehr sperrt und einfach schaut, ja was heißt denn das jetzt, für die Anrainer, für die anderen. Wenn es sich nicht bewährt, machen wir es rückgängig. Sehr viele Entscheidungen kann man rückgängig machen, zumindest so wieder verändern, dass die Missstände behoben werden.
Das hat auch etwas mit Fehlerkultur zu tun.
Wir lernen in der Schule, dass Fehler schlecht sind und wir bekommen sofort eine schlechte Note, wenn wir Fehler machen. Aber Fehler sind eigentlich das, woraus man lernt. Das heißt, sie sollten jetzt nicht gefördert werden, aber sie sollten nicht verteufelt werden. Dann ist es nämlich auch erlaubt, ungewöhnliche Ideen vorzubringen, etwas auszuprobieren und nicht blöd dazustehen, wenn es nicht funktioniert hat. Sondern dass man dann einfach gemeinsam sieht, okay, haben wir probiert, ist nicht gegangen, müssen wir etwas anderes probieren.
Das ist etwas, was wir in nächster Zeit so unheimlich viel brauchen werden. Wir brauchen neue Ideen, neue Gedanken, die derzeitige Kultur, kaum macht jemand einen Vorschlag, wissen alle anderen, dass es nicht geht und dass es kontraproduktiv ist. Ich glaube, das führt uns nicht weiter. Es geht wirklich darum, dass wir akzeptieren, dass wir gemeinsam suchen müssen und dass es nicht verwerflich ist, einen Vorschlag zu machen, der sich dann als ungeeignet erweist. Weil er ist auf jeden Fall geeignet, etwas zu lernen.
Transformation
Wir verwenden das Wort Transformation sehr viel, aber es ist gar nicht so leicht, zu erklären, was man damit meint. Es meinen vielleicht auch nicht alle dasselbe damit. Aber für mich ist Transformation etwas, wo aus dem Bestehenden etwas Neues entsteht, ein schönes Beispiel ist der Schmetterling, der aus einem Kokon entsteht. Es ist trotzdem das selbe Wesen, aber es hat ein völlig andere Form und andere Fähigkeiten. Und insofern ist nur Verbesserung von irgendwelchen Abläufen, die wir jetzt schon haben, keine Transformation. Nur CO2-Reduktion ist keine Transformation. Aber es wird ein Teil dieser Transformation sein müssen. Also Transformation heißt Übergang zu einer nachhaltigen Entwicklung.
Das ist das Ökologische, dass wir so leben, dass wir mit dem, was uns die Natur bietet auskommen, und zwar ALLE. Das bedeutet auch sozial, dass wir eben als Gemeinschaft funktionieren, dass keiner zurück gelassen wird, dass alle ihre Grundbedürfnisse erfüllt bekommen, und zwar nicht nur jetzt, auf der ganzen Welt, sondern auch in Zukunft. Und es hat auch etwas mit Wirtschaft zu tun.
Die Art, wie wir miteinander umgehen.
Ich glaube aber, dass Wirtschaft zu eng gedacht ist. Da brauchen wir eher einen etwas komplexeren Begriff der vielleicht etwas mit Gesellschaft, mit Kultur zu tun hat. Man kann es auch aufteilen, dass zusätzlich zur Ökologie, zum Sozialen und zur Wirtschaft noch die Kultur dazukommt. Es geht auch um die Art des Zusammenlebens, und die Regeln dazu.
Das ist für mich aber verbunden mit einer anderen Art des Denkens. Langfristiges Denken, ein Denken in Werten. Was ist wichtig, was ist unentbehrlich, nicht nur mir, sondern auch anderen. Geht sich das aus, innerhalb dessen, was die Natur zur Verfügung stellt? Und das sind Fragen, die wir uns ja jetzt kaum stellen. Wenn derzeit zum Beispiel ein neues Skigebiet eröffnet werden soll, wird nur die Frage geklärt, ob sie selbst genug Wasser haben werden, aber nicht, ob dann die Trinkwasserversorgung des Ortes oder die Pflanzen, ist schon jenseits.
Wir müssen viel mehr in Systemen denken. Wie wirkt sich unser Handeln in diesem größeren System aus. Und das ist meines Erachtens schon Transformation.
Anmerkung der NiG-Redaktion:
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