Klima-Update 05.11.2023


Man könnte auch meinen, der 2022 verstorbene James Lovelock, einer der angesehensten Klima-Wissenschaftler der Welt, der uns davor warnte, dass nur eine Milliarde Menschen dieses Jahrhundert überleben werden, (sei es durch Kriege, durch Katastrophen oder durch Hunger) hätte in den Medien mehr Aufmerksamkeit erhalten … „Wir brauchen eine ruhige und konzentrierte Panik!“ Hier kommt unser Klima-Update vom 05.11.2023, mit Fakten, Infos & Geschichten als Einladung zu Information, Aufwachen, Handeln, Teilen oder Verwenden. Alle Folgen unserer Klima-Updates finden sich unter diesem Link. Wir sammeln für euch (fast täglich) die wichtigsten Themen rund ums Klima. Dabei darf natürlich auch Positives nicht zu kurz kommen. Was wir aber nicht tun: Durch falsche Hoffnung beruhigen und von der Dringlichkeit der Klimakrise ablenken. Hoffnung kommt nur durch Tun.

Ebenfalls mehr als nur einen Blick wert: unsere laufend aktualisierte Linksammlung zu vielen verschiedenen Medienberichten zu Klima, Energie und Nachhaltigkeit.

Auch sehr informativ: Auflistung der aktuellen weltweiten Extremwetterereignisse

Viele interessante Veranstaltungen gibt es kommende Woche in unserem Terminkalender, auch gut geeignet zum Kennenlernen Gleichgesinnter und zum Mut holen: 06.11.2023: Online-Ringvorlesung zum Klimaschutz, 06.11.2023: Online-Krisengespräch der Letzten Generation, 06.11.2023: Montagsuni-Graz auch online: Ressourcenschonendes Wirtschaften durch Reparieren , 07.11.2023: Webinar: Storytelling in Climate Change discourse uvm

„Was nützt es, eine Wissenschaft so gut entwickelt zu haben, dass sie Vorhersagen treffen kann, wenn wir am Ende nur herumstehen und darauf warten, dass sie wahr werden?“

F. Sherwood Rowland, Nobelpreisträger und Entdecker ozonschädigender Substanzen

1. Berührende Bilder von der Klimakrise

Diese eindringlichen Unterwasserfotos zeigen den Klimawandel auf eine neue Art und Weise. Auf den Fotos sind Inselbewohner im Südpazifik zu sehen, die Menschen repräsentieren, die aufgrund des Klimawandels kurz davor stehen, ihr Zuhause, ihr Land und ihre Lebensgrundlage zu verlieren. => Link zur Fotoserie

2. Podcast-Tipp Tipping Point (auf Englisch)

Sehr guter, fesselnder Bildungspodcast, der die Grenzen des Wachstums von seinen Anfängen in den 1970er Jahren bis zu seinem heutigen Einfluss nachzeichnet: https://tippingpoint-podcast.com/
Maja Göpel: „Wenn ihr wieder mal einen Ökonomen o. Politiker:in abfällig über die Arbeit zu Grenzen des Wachstums reden hört (gern behauptend, der Club of Rome⁩ hätte vorausgesagt heute gäbe es keine Ressourcen mehr), empfehlt diesen Bildungspodcast zu System Thinking.“
A podcast about the true-crime story of „The Limits to Growth“: The study, the backlash – and its legacy

Teil 1: Die Problematik

Dies ist der erste eines dreiteiligen Podcasts von Katy Shields und Vegard Beyer. Die Serie erzählt die wahre Geschichte, warum das Buch „Die Grenzen des Wachstums“ aus den 1970er Jahren nach positiver anfänglicher Resonanz bekämpft und seitdem ignoriert wurde.

Dieses Buch basierte auf einem bahnbrechenden MIT-Projekt, das die modernste Rechenleistung der damaligen Zeit mit der neuesten und besten wissenschaftlichen Forschung über die Auswirkungen des Menschen auf unsere Umwelt kombinierte. Mithilfe einer neuen Form der Modellierung namens Systems Dynamics hat ein Team brillanter junger Wissenschaftler unter der Leitung der Ärzte Dennis und Donella (Dana) Meadows ein Modell der Welt erstellt und es verwendet, um Szenarien über die Zukunft der Menschheit zu erstellen und zu testen. Sie kamen zu dem Schluss, dass wir Gefahr laufen, bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts einen Zusammenbruch unserer modernen Zivilisation auszulösen, wenn wir unseren Weg des ungebremsten Wirtschaftswachstums fortsetzen. Sie beschrieben aber auch ein Szenario, in dem ein Zusammenbruch vermieden werden könnte, wenn die Menschheit ihr Ziel von Wachstum um jeden Preis auf die Schaffung von Wohlstand für alle innerhalb der Grenzen des Planeten verlagern würde.

„Die Grenzen des Wachstums“ wurde zu einem weltweiten Bestseller und gilt allgemein als Anstoß für die Umweltbewegung.

Dennoch wurde es von Mainstream-Wissenschaftlern, Wirtschaftsinteressen und vor allem Ökonomen angegriffen und zerstört, die sich weigerten, die Möglichkeit anzuerkennen, dass die Menschheit möglicherweise nicht auf unbestimmte Zeit ein undifferenziertes Wachstum unserer Wirtschaftstätigkeit anstreben kann.

Aus diesem Grund bleibt es bis heute ein polemisches und größtenteils missverstandenes Buch, obwohl jüngste Studien die ursprünglichen Erkenntnisse des Teams stützen, ganz zu schweigen von der wachsenden Zahl wissenschaftlicher Beweise, die darauf hinweisen, dass wir tatsächlich viele der ökologischen Grenzen des Planeten überschritten haben und uns nun darin befinden ein Weg, in diesem Jahrhundert, zu einer unbewohnbaren Welt.

Die Geschichte wird aus der Perspektive von Dana Meadows, der verstorbenen Autorin des Buches und Pionierin der Nachhaltigkeit, erzählt und stützt sich dabei auf einen unveröffentlichten schriftlichen Bericht. Teil 1 beginnt in Harvard in den späten 1960er Jahren und untersucht, wie das Projekt zustande kam und wie die jungen Wissenschaftler in etwas verwickelt wurden, das wohl eines der umstrittensten – aber auch vorausschauendsten – wissenschaftlichen Projekte aller Zeiten werden sollte.

Teil 2: Maybe we did want to save the world

Der zweite Teil der Serie erzählt die wahre Geschichte, warum man das Buch „Die Grenzen des Wachstums“ aus den 1970er Jahren nach positiver anfänglicher Resonanz bekämpfte und seitdem ignorierte.

Teil 3: Where are we going, really?

Teil 3 befasst sich eingehend mit den späteren Karrieren der Meadows und ihren unauslöschlichen Spuren in den Umweltstudien. Wir untersuchen, wie die Forscher mit den Folgen ihrer bahnbrechenden Veröffentlichung zurechtkamen, einschließlich ihres zweiten Versuchs, die Welt in den 1990er Jahren zu warnen, und verfolgen das Wiederaufleben des Interesses an ihrer Arbeit nach 2000 vor dem Hintergrund eskalierender Umweltkrisen.

Trotz der internationalen Gegenreaktion und heftiger Kritik verkaufte sich das Buch über 30 Millionen Mal und löste damit eine globale Umweltbewegung aus.

3. Klimawissenschaft und ihre Botschaft

Wissenschaftliche Artikel und Studien sind selten aufrüttelnd. Maximal: „Es passieren schlimme Dinge in Bezug auf das Klima, aber wir werden Ihnen nicht sagen, dass dies bedeutet, dass Ihre Kinder verhungern werden. Weil wir erstens nicht sicher sein können, ob es nur Hundert Millionen oder Milliarden sein werden, daher erwähnen wir es am besten überhaupt nicht und zweitens mögen wir Wissenschaftler es nicht so, über unangenehme Dinge zu sprechen.“

4. Klimakatastrophe & die Medien

Warum sagen große Journalisten der Öffentlichkeit nicht lautstark und permanent (auf Titelseiten, täglich auf mehreren Seiten, …), dass derselbe Wissenschaftler, der die Welt 1988 vom Klimawandel informierte, uns jetzt sagt, dass er viel schneller geschieht, als die Welt versteht? Wo sind die Journalisten? Können wir bitte wieder zurück zu den wissenschaftlichen Fakten?

Von der klaren Warnung bis zum verzweifelten Flehen. Von Nachrichten auf der Titelseite bis hin zu kaum einem Blick. Siehe hier die New York Times.


Dies ist das Ergebnis von 35 Jahren Lügen der Ölkonzerne und der Vereinnahmung von Medien, Regierung und öffentlicher Meinung. Existieren Medien nur mehr, um entweder auf nutzlose Weise über Belangloses zu informieren oder um aufzuhetzen oder allen zu sagen, dass alles in Ordnung ist?

5. Klimakrise, Reichtum und Armut – Gefahr für unsere Demokratie

„Armut ist mit Entbehrungen verbunden und ist eine Gefahr für die Demokratie. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung. Wenn Menschen sich gesellschaftlich nicht mehr wertgeschätzt fühlen, gehe das Vertrauen in die Politik verloren, so die Studie“. => Quelle

Eine Allianz des Schwachsinns und der Gier regiert seit vielen Jahrzehnten die Welt. Es ist auch immer schlimmer geworden. Immer mehr wollten reich werden, unfassbar reich am besten. Dass dabei auch etwas bittere Not gelindert wurde, etwas materieller Wohlstand entstand, passierte aber so nebenbei. Darum ging es nicht in erster Linie.

via Liberation of the free world, @ExplosivSpirit, Twitter, 4.11.2023

6. Der Grund unseres Scheiterns bei der Bekämpfung der Klimakrise? Die Demokratie wird von Kapitalisten manipuliert!

Das sagte niemand geringer als James Hansen, bekannter Klimaforscher und „Vater des Klimawandels“ in der Presseaussendung zu seiner neuen gerade erschienenen und geprüften Studie „Global Warming in the Pipeline“. Siehe oben und wir berichteten auch in unseren Klima-Updates der letzten Tage: Diese Studie besagt, dass der Klimawandel schlimmer ist und schneller gehe.

Aber keine Presse nahm den Passus auf, in dem Hansen und seine Kollegen auf die Manipulation der Demokratie durch Kapitalisten hinwies!

Hansen sagte, dass die Demokratie manipuliert sei. Hansen sagte, Politiker seien von Kapitalisten und Großunternehmen gekauft worden. Dies stehe der Bekämpfung des Klimawandels im Wege.

„Das Ideal einer Person/einer Stimme wurde durch einen Dollar/eine Stimme ersetzt. Besondere finanzielle Interessen – die Industrie für fossile Brennstoffe, die chemische Industrie, die Holzindustrie, die Lebensmittelindustrie zum Beispiel – dürfen Politiker kaufen. Es ist kein Wunder, dass das Klima außer Kontrolle gerät, die Umweltgifte dabei sind, Insekten und Bestäuber auszurotten, Wälder schlecht bewirtschaftet werden und die Landwirtschaft auf Profit ausgerichtet ist, nicht auf Ernährung und das Wohlergehen der Öffentlichkeit.“

Das hat er nicht in einem Interview gesagt, sondern es steht in der Pressemitteilung. Was bedeutet, dass Reporter es definitiv gesehen haben. Und es bedeutet, dass Hansen und seine Co-Autoren es aus einem bestimmten Grund geschrieben haben. Es lag ihnen sehr am Herzen. Sie wollten, dass darüber berichtet wird.

Dies wurde aber nicht veröffentlicht. Dabei haben die Forscher recht. Die Industrie für fossile Brennstoffe gibt Dutzende Millionen Dollar aus, um sicherzustellen, dass die Politik nach mehr fossilen Brennstoffen sucht und mehr Pipelines baut. Chemieunternehmen gaben 54 Millionen US-Dollar für US-Senatoren aus, bevor ein großes Update zu einem Chemikaliengesetz veröffentlicht wurde. usw

Warum bringen das die Medien nicht?

In den Massenmedien werden nur selten diejenigen beworben, deren Rezepte für eine ökologische Katastrophe darin bestehen, sich grundsätzlich von einer wachstumskapitalistischen Konsumwirtschaft abzuwenden und etwas Neues zu schaffen. Die weltweit größte Degrowth-Konferenz fand zB Anfang des Jahres statt. Viele Journalisten waren anwesend, aber es gab keine Artikel darüber. Eine führende Degrowth-Akademikerin sagte, Journalisten hätten ihr gesagt: „Mein Redakteur weigert sich, irgendeinen kritischen Artikel über das Wirtschaftswachstum zu drucken.“

Klimawissenschaftler möchten, dass wir uns mit den grundlegenden Mängeln befassen, die den von Unternehmen kontrollierten Demokratien innewohnen. Um davon zu erfahren, müssen Sie über die Mainstream-Presse hinausgehen. Quellen und weitere Informationen: => Quelle

Wenn wir eine Chance haben wollen, muss sich etwas ändern. Auch der Journalismus. via Nate Bear @NateB_Panic, Twitter, 3.11.2023

7. Leserbrief in der Kleinen Zeitung, 5.11.2023, Ing. Gerhard Pucher

„Wir bekämpfen den Klimawandel mit höherem CO2-Ausstoß, versperren dann ärmeren Bevölkerungsschichten den Weg in nahrungsmittelgesicherte Gebiete, und die Europäische Zentralbank hat als einzige Sorge unseren Wohlstand und das Bruttoinlandsprodukt im Auge. Welche demokratischen Mittel gibt es, um diesem Wahnsinn Einhalt zu gebieten?“

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