The Boiling Frog Syndrom

Warum wir Wetterextreme und Klimawandel unterschätzen

Das sogenannte Boiling Frog Syndrom ist eine kraftvolle Metapher, die unser Verhalten gegenüber schleichenden Veränderungen beschreibt. Sie stammt aus einer biologischen Legende: Setzt man einen Frosch in kochendes Wasser, springt er sofort heraus. Wird das Wasser jedoch langsam erhitzt, bemerkt der Frosch die Gefahr nicht – bis es zu spät ist. Auch wenn der wissenschaftliche Wahrheitsgehalt dieser Geschichte umstritten ist, bleibt die Metapher eindringlich und wird häufig genutzt, um unsere Reaktion auf den Klimawandel zu erklären.

Wetterwahrnehmung im Wandel: Wie wir Extreme normalisieren

Unsere Wahrnehmung von Wetter und Klima ist erstaunlich anpassungsfähig. Studien zeigen, dass wir uns an ungewöhnliche Wetterlagen – etwa einen viel zu warmen Winter – sehr schnell gewöhnen. Was heute noch als extrem gilt, empfinden wir schon nach wenigen Jahren als normal. Forscher der University of California haben über zwei Milliarden Tweets ausgewertet und festgestellt: Menschen reden zunächst viel über außergewöhnliches Wetter, doch wiederholen sich diese Extreme, verlieren sie ihren Neuigkeitswert und werden akzeptiert.

Unsere Vorstellung von „normalem Wetter“ orientiert sich dabei vor allem an den Erfahrungen der letzten zwei bis acht Jahre. Das birgt ein Risiko: Wir gewöhnen uns an Bedingungen, die wir eigentlich nicht akzeptieren sollten. So besteht die Gefahr, dass wir die schleichenden Veränderungen des Klimawandels nicht mehr als bedrohlich wahrnehmen und entsprechend weniger bereit sind, aktiv gegenzusteuern.

Das Boiling Frog Syndrom und der Klimawandel

Das Boiling Frog Syndrom beschreibt genau dieses Phänomen: Die langsame, fast unmerkliche Verschiebung der Normalität. Beim Klimawandel sind es nicht die plötzlichen Katastrophen, die uns träge machen, sondern die vielen kleinen Veränderungen – ein Grad mehr im Sommer, ein paar Tage weniger Frost im Winter, ein weiteres Jahr mit Hitzerekorden. Weil diese Veränderungen schleichend passieren, passen wir uns an, statt Alarm zu schlagen.

Psychologisch gesehen sind wir darauf programmiert, auf plötzliche Gefahren zu reagieren. Langsame, graduelle Veränderungen hingegen nehmen wir kaum wahr oder verdrängen sie. Das führt zu einer kollektiven Apathie, obwohl die wissenschaftlichen Fakten eindeutig sind: Die Erde erwärmt sich, Wetterextreme nehmen zu, Ökosysteme geraten aus dem Gleichgewicht.

Emotionen und Handlungsbereitschaft

Unsere Gefühle spielen eine zentrale Rolle dabei, wie wir auf die Klimakrise reagieren. Angst, Wut oder Hoffnung können uns zum Handeln motivieren – oder aber lähmen. Viele Menschen empfinden angesichts der schleichenden Bedrohung Ohnmacht oder Resignation. Diese emotionalen Schutzmechanismen sind verständlich, können aber dazu führen, dass wir notwendige Veränderungen aufschieben oder ganz vermeiden.

Wie wir aus der Komfortzone kommen

Um das Boiling Frog Syndrom zu überwinden, braucht es bewusste Strategien:

  • Klarere Kommunikation: Studien zeigen, dass Menschen die Dramatik des Klimawandels besser erfassen, wenn Daten nicht als kontinuierliche, sondern als „binäre“ Veränderungen präsentiert werden (z. B. „See friert nicht mehr zu“ statt „Temperatur steigt um 0,2 Grad“).
  • Emotionale Anknüpfungspunkte: Der Verlust von Traditionen (wie Eislaufen auf dem zugefrorenen See) macht die Folgen des Klimawandels greifbarer und kann die Bereitschaft zum Handeln erhöhen.
  • Gemeinschaftliches Handeln: In Gruppen können Gefühle wie Angst oder Hoffnung geteilt und verarbeitet werden. Das fördert nachhaltiges Engagement und hilft, aus der Passivität herauszukommen.

Unterschied Boiling Frog Syndrom & Shifting Baseline

Boiling Frog Syndrom und Shifting Baseline Syndrom sind eng miteinander verwandt, aber nicht exakt das Gleiche.

Boiling Frog Syndrom beschreibt die menschliche Tendenz, schleichende, negative Veränderungen nicht rechtzeitig zu bemerken oder darauf zu reagieren. Die Metapher vom „kochenden Frosch“ steht dafür, dass wir erst dann handeln, wenn es eigentlich schon zu spät ist – weil wir die Gefahr durch die allmähliche Verschlechterung unterschätzt haben.

Shifting Baseline Syndrom hingegen beschreibt, dass wir unser Empfinden von „Normalität“ immer wieder an neue, meist schlechtere Umweltbedingungen anpassen. Jede Generation nimmt den Zustand der Natur, wie sie ihn erlebt, als Ausgangspunkt („Baseline“) und bemerkt die schleichende Verschlechterung kaum, weil der Vergleich zu früheren, besseren Zuständen fehlt.

Beide Begriffe greifen das Problem der schleichenden Veränderung auf:

  • Beim Boiling Frog Syndrom steht das passive Verharren im Vordergrund, also das Nichthandeln angesichts gradueller Verschlechterungen.
  • Beim Shifting Baseline Syndrom geht es um die unbewusste Verschiebung dessen, was wir als normal empfinden.

In der Praxis werden die Begriffe oft synonym verwendet, weil sie beide erklären, warum wir auf Umweltveränderungen wie den Klimawandel so träge reagieren. Tatsächlich beschreibt das Shifting Baseline Syndrom aber eher einen Wahrnehmungsprozess, während das Boiling Frog Syndrom eine Verhaltensmetapher ist.

Fazit: Wachsam bleiben und handeln

Das Boiling Frog Syndrom mahnt uns, nicht erst zu reagieren, wenn es zu spät ist. Gerade im Kontext des Klimawandels ist es entscheidend, schleichende Veränderungen bewusst wahrzunehmen und frühzeitig zu handeln. Denn auch wenn wir uns an neue Wetterextreme gewöhnen – die Folgen sind real und betreffen uns alle. Es liegt an uns, die Komfortzone zu verlassen und aktiv für eine lebenswerte Zukunft einzutreten.

Weitere interessante Artikel:

Quellen:

  • https://www.arte-magazin.de/briefkolumne-19/
  • https://rachit-dubey.github.io/images/binary_climate_ms.pdf
  • https://www.sciencealert.com/human-beings-are-susceptible-to-boiling-frog-phenomenon-climate-scientists-warn
  • https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC3097807/
  • https://www.welt.de/kmpkt/article189799107/Klimawandel-Wir-Menschen-sind-wie-ein-Frosch-in-kochendem-Wasser.html
  • https://glacier.eco/blog/die-macht-der-gefuehle-in-der-klimakrise-2
  • https://newsroom.ucla.edu/stories/climate-change-apathy-how-to-break-through
  • https://www.achtsam-engagiert.de/boilingfrog/
  • https://www.linkedin.com/pulse/boiling-frog-syndrome-metaphor-gradual-change-human-complacency-jain-qjsef/
  • https://www.linkedin.com/posts/klimaaktiv_klimakommunikation-hitzeaktionstag-klima-activity-7335923846224461825-d2y9/?originalSubdomain=de
  • https://itsfreezinginla.com/articles/frogs-in-hot-water
  • https://ecocore.org/shifting-baseline-syndrome/
  • 24.07.2025: https://www.newsy-today.com/boiling-frog-effect-makes-people-oblivious-to-threat-of-climate-crisis-shows-study-environment/

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