Buch: Warum machen wir es nicht einfach?

Die Psychologie der Klimakrise

Eigentlich ist es klar, was wir alle in Zeiten der Klimakrise, der Ressourcenverschwendung und des Biodiversitätsverlustes tun sollten. Warum machen wir es dann nicht einfach? Die Salzburger Umweltpsychologin und junge Mutter Dr. Isabella Uhl-Hädicke liefert in ihrem Buch Erklärungsansätze aber auch Lösungsvorschläge, um festgefrorene Verhaltensmuster zu ändern und die Kluft zwischen Wissen und Handeln zu reduzieren.

Buch und Autorin

Titel: Warum machen wir es nicht einfach? Die Psychologie der Klimakrise
Autorin: Dr. Isabella Uhl-Hädicke
ISBN: 978-3-222-15077-7
Molden Verlag, Verlagsgruppe Styria, 156 Seiten, erschienen 2022.
Erhältlich im regionalen Buchhandel oder leihweise in der Grazer Stadtbibliothek

Inhalt

Wir nehmen gerade Kurs auf eine großteils unbewohnbare Erde. Nicht erst in weiter Zukunft, sondern in den nächsten Jahrzehnten. Es scheint allerdings, dass wir der existentiellen Bedrohung lieber untätig entgegensehen, als Verhaltensänderungen (wie weniger fliegen, Autofahren, Fleisch essen, …) umzusetzen, obwohl die Kosten des Nicht-Handelns um ein Vielfaches höher sind. Warum? Und warum sind die bisher vorhandenen Erkenntnisse zur Erklärung und Förderung von umweltfreundlichem Verhalten noch immer so wenigen außerhalb der Wissenschaft bekannt? Schließlich versuchen tagtäglich viele Menschen, NGOs oder Vertreter anderer Initiativen andere mit viel zeitlichem und auch finanziellen Aufwand für Klimaschutz zu motivieren.

Warum machen wir es nicht einfach?

Ich habe hier ein paar interessante Punkte näher herausgepickt und empfehle, das Buch in der Grazer Stadtbibliothek auszuleihen, es gibt einige freie Exemplare.

Wie können wir auf bedrohliche Informationen zur Klimakrise reagieren?

  • Direkte Reaktionen, indem wir die Verantwortung annehmen und Handlungen zu einem klimaschonenden Lebensstil setzen, zB zu einem Ökostromanbieter wechseln, mehr pflanzlich essen, mit dem Rad zur Arbeit und zum Einkaufen fahren, sich in Vereinen engagieren, etc oder
  • Symbolische Reaktionen, indem wir zB in den Verteidigungsmodus übergehen, die eigenen Werte, die eigene Gruppe aufwerten, andere abwerten und sogar bestrafen wollen (Stichwort Klimakleber!)

Fazit: Das Wachrütteln durch Fakten steigert außer bei Personen, die bereits sehr umweltfreundlich eingestellt sind, grundsätzlich nicht die Bereitschaft zu einem klimafreundlichen Lebensstil. Denn die Informationen überfordern rasch, führen zu einem Gefühl der Ohnmacht und Hilflosigkeit. Durch das Verstärken der eigenen Weltanschauung und Werte wird versucht, wieder Kontrolle zu finden.

Das Problem: Mit symbolischen Reaktionen ist zwar dem Individuum geholfen, sich wieder wohler zu fühlen, aber es wurde nichts zur Lösung der Klimakrise beigetragen.

Die Frage „Warum machen wir es nicht einfach?“ ist in der Mitte angekommen. Die Themen Klimawandel, Klimakrise und nachhaltiger Lebensstil nehmen einen immer größeren Schwerpunkt ein. Niemand will sich selbst als Ursache des Problems wahrnehmen. Es kann doch nicht so schlimm sein, „die paar Strecken“ mit dem Auto zu fahren, noch immer täglich Fleisch oder Milchprodukte zu essen und einmal jährlich in den Urlaub zu fliegen. Und das, wo doch andere zehn Mal so schlimm sind.

Was uns zur Kognitiven Dissonanz führt, einem psychologischen Phänomen, das den inneren Spannungszustand zwischen einer Information und dem eigenen Verhalten bzw den eigenen Ansichten beschreibt. Sieht man sich selbst als grundsätzlich positive, nicht schlecht handelnde Person, führen Informationen oder gar Beschuldigungen zu einem unangenehmen Gefühlszustand. Kaum jemand sieht sich selbst als umweltschädigende Person, egal wie wenig nachhaltig der eigene Lebensstil ist. Manchmal reicht da sogar allein das Beobachten von Personen, die sich privat, beruflich oder öffentlich für Umwelt- und Klimaschutz einsetzen, um sich „schlecht zu fühlen“.

Um diesen Spannungszustand aufzulösen, gibt es verschiedene Reaktionen:

  1. Akzeptanz: „Stimmt eigentlich, mir ist die Zukunft meiner Kinder wichtig, da passt es wirklich nicht, dass ich mindestens eine Flugreise im Jahr unternehme. Ich werde mein Urlaubsverhalten ändern.“
  2. Herunterspielen der Information: „So schlimm ist es nicht!“
  3. Verteidigung des eigenen Verhaltens: „Andere fliegen viel öfters.“
  4. Ad-Hominem-Attacken: Überbringer der Botschaft werden angegriffen und diskreditiert, um das schlechte Gewissen zu reduzieren. „Arbeitet einmal was! Werdet einmal erwachsen! Wo werden denn eure Schuhe produziert? Und schaut überhaupt eure Handys an!“

Im Buch begibt sich Isabella Uhl-Hädicke mit uns gemeinsam auf die Suche nach unserem „inneren Umweltschweinehund“ und was dabei helfen könnte, ihn zu überlisten.

Helfen finanzielle Reize?

Wenn der Anreiz wirklich groß genug ist, kann finanzielle Belohnung vor allem bei Einmalanschaffungen zu umweltfreundlichem Verhalten führen, zB Förderungen für Heizungsumstellung oder Photovoltaikanlagen. Bei regelmäßig nötigem Verhalten sind kleinere Ersparnisse zumindest nur von kurzfristiger Dauer.

Fokus auf die eigenen Wertvorstellungen!

Um unseren inneren Umweltschweinehund, der uns an (weiterem) nachhaltigem Tun hindert, zu überlisten, könnten wir uns immer wieder unsere eigenen Wertvorstellungen bewusst machen. Und Schritt für Schritt auch in diese Richtung handeln.

Soziale Normen

Immer wieder hört und liest man, dass, wenn gewisse Verhaltensweisen soziale Normen geworden sind, Nachhaltigkeit und Klimaschutz ganz selbstverständlich wäre. Soziale Normen sind ungeschriebene Gesetze und Regeln, die in unserer Gesellschaft gelten und von anderen wahrgenommen werden. Das Verhalten unserer Mitmenschen hat Einfluss auf unser eigenes.

Isabella Uhl-Hädicke lässt in ihr Buch auch immer wieder Studien und Experimente einfließen. Von jenem Energiesparexperiment in Kalifornien habe ich auch schon vorher gehört. Wurden Haushalte darüber informiert, wie viel Energie ihre vergleichbaren Nachbarshaushalte eingespart haben, war der Anreiz, selbst Energie zu sparen viel größer.

Es gibt Soll-Normen („Eigentlich sollten wir weniger fliegen …“) und gegensätzliche Ist-Normen („Die Fluggesellschaften freuen sich über Rekordzahlen.“). Solche Normenkonflikte, die gerade im Klima- und Umweltschutz sehr häufig vorkommen, wirken sich auf unser eigenes umweltfreundliches Verhalten negativ aus. Eigentlich wissen wir, dass es besser wäre, das Auto stehen zu lassen, andererseits sehen wir tagein, tagaus Autostaus. Viele Menschen tun dann das, was „alle anderen auch tun“.

Interessant ist auch die Untersuchung, dass ein verschmutztes Umfeld generell die Bereitschaft zu negativem Verhalten (auch in anderen Bereichen) erhöht. Eigene Interpretation: „Ein sauberer Müllraum mit funktionierender Mülltrennung hat auf die gesamte Qualität der Hausgemeinschaft Auswirkung. Darauf sollte daher wirklich Wert gelegt und Zeit investiert werden.“ Andere bei einem prosozialen Verhalten zu sehen (zB beim Müllsammeln auf der Straße) hat einen noch größeren positiven Einfluss.

Verbündete suchen

Es hilft, sich „Verbündete“ zu suchen, entweder im echten Leben, im Freundeskreis oder Arbeitsumfeld. Oder auch im Internet, Influencer*innen, denen man folgt, Blogs oder Podcasts. Und eigenes umweltfreundliches Verhalten sichtbar zu machen.

Wenn du Nachhaltigkeit voranbringen möchtest, sei und lebe selbst sichtbar nachhaltig und hinterlasse so viele Verhaltensspuren wie möglich!

Niki Harré, „Psychologie für eine bessere Welt“

Gewohnheiten

Unser Alltag besteht zu einem Großteil aus automatisiert ablaufenden Gewohnheiten, damit wir ohne permanente Reizüberflutung und ohne ständiges bewusstes Nachdenken genug Ressourcen für den Rest unseres Tagespensums haben. Eine für mich interessante Information war jene, dass es schon damit beginnt, wie bereit wir sind, uns neue Informationen überhaupt zu beschaffen. Zum Beispiel eine Route mit dem Fahrrad oder den Öffis rauszusuchen, ein neues veganes Rezept, eine Zugreise zu organisieren. Durch starke Gewohnheiten werden neue Informationen gar nicht beachtet oder verarbeitet. Damit ist man natürlich für neue Möglichkeiten und für Veränderung weniger offen. Für mich habe ich mir hier mitgenommen, weiter wieder offener zu sein für vielleicht anfangs mühevoll wirkende Informationsbeschaffung (einen sicheren Radweg raussuchen), die sich aber in weiterer Folge auf mich und mein Verhalten positiv auswirkt.

Gewohnheiten zu ändern ist nicht einfach, aber machbar, indem sie bewusst geschwächt werden. Einerseits könnte dies mit dem Hinzufügen eines neuen, anderen Hinweisreizes geschehen, zB das Öffi-Ticket oder der sichtbare Fahrradhelm. Andererseits ganz bewusst mit einer Visualisierung des neuen Verhaltens, zB „ich nehme künftig immer meine eigene Tragetasche zum Einkauf mit“.

Machen wir es einfach!

Dieses hoffnungsvolle Buch erklärt, warum Wissen und Handeln gerade in der Klimakrise so oft auseinanderklaffen, liefert viele Aha-Effekte und Lösungsvorschläge und auch viele Tipps zum Selbst-Ausprobieren! Vor allem zeigt es uns auch auf, dass es uns auch zufriedener macht, wenn wir unsere persönliche Komfortzone verlassen.

Anmerkung der NiG-Redaktion:
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