Mythos #1: Klimawandel gab es doch schon immer

„Klimawandel? Das gab es doch schon immer!“ – Fakten & Argumente für Diskussionen rund um den Klimawandel

Diskutiert man über den Klimawandel, dessen Folgen und mögliche Maßnahmen begegnen einem oft dieselben Phrasen von Menschen, die entweder unzureichend informiert sind oder sich aus Unbehagen und Überforderung gar nicht näher mit dem Thema befassen wollen. Maßnahmen für den Klimaschutz führen auch dazu, dass sich Leute in ihren täglichen Handlungen persönlich kritisiert oder eingeschränkt fühlen und daher schnell in eine defensive Haltung übergehen. In dieser Reihe möchten wir auf häufige Stehsätze eingehen und diese übersichtlich, sachlich und faktenbasiert abarbeiten. Um nicht nur Informationen zu liefern, sondern sowohl uns als auch unseren Leser*innen eine Hilfe beim Argumentieren zu geben.
Heute ist Mythos #1 an der Reihe, nämlich die Behauptung „Klimawandel? Das gab es doch schon immer!“

Es ist grundsätzlich einmal richtig, dass es Klimawandel schon immer gab. Die Geschichte unseres Planeten ist mit signifikanten natürlichen Klimaschwankungen verbunden. Von der Entstehung der Erde bis vor rund 4 Milliarden Jahren betrug die Temperatur auf der Erdoberfläche im Durchschnitt über 100 Grad Celsius. Darauf folgten mehrere Eiszeiten mit Warm- und Kaltperioden, in denen die Weltkugel mal mehr und mal weniger stark vereist war. Aktuell leben wir übrigens in der Warmperiode eines Eiszeitalters. Das Aber? Von den massiven historischen Klimaschwankungen der Erdgeschichte hat der Homo Sapiens kaum etwas mitbekommen. Würde man die Geschichte der Erde auf ein Jahr umlegen, betritt er nämlich erst am 31. Dezember etwa eine halbe Stunde vor Mitternacht die Bühne. Noch spannender und beunruhigender: Erst seit einem Wimpernschlag, nämlich rund 200 Jahren, greift der Mensch aktiv in das Klimageschehen unseres Planeten ein.

Es ist richtig, dass eine Vielzahl natürlicher Faktoren das globale Klima beeinflusst.

Das Klima unserer Erde entsteht nämlich aus dem komplexen Zusammenspiel vielfältiger Kräfte: Da wären beispielsweise die Aktivität der Sonne mit der Anzahl der Sonnenflecken, die Laufbahn der Erde um die Sonne und die Rotationsachse der Erde um sich selbst. Erst durch die Atmosphäre und den daraus resultierenden Treibhauseffekt ist Leben auf der Erde überhaupt möglich. Ändert sich die Zusammensetzung der Atmosphäre, ändert sich auch die globale Temperatur. Das geschah in der Vergangenheit beispielsweise dadurch, dass ganze Urwälder in sumpfigen Böden versanken und damit große Mengen CO2 gebunden wurden. Auch starke Vulkanausbrüche, sogenannte Supereruptionen, schleudern zusätzliche Partikel in der Atmosphäre und ändern die Temperatur zumindest temporär. Insgesamt ist das Klima ein Produkt aus den Wechselwirkungen zwischen Atmosphäre, den Ozeanen und Landflächen. Diese natürlichen Treiber haben das Klima der Erde über Millionen und Milliarden von Jahren bestimmt. Wieso nehmen wir den „menschlichen Faktor“ dann so wichtig? Kann die aktuelle Erwärmung nicht auch ein weiterer natürlicher Vorgang sein?

… Experten sind sich einig, dass die aktuelle Erwärmung „menschengemacht“ ist.

Seit Beginn der Industrialisierung (Mitte des 19. Jahrhunderts) ändert der Mensch aktiv die Zusammensetzung der Atmosphäre und beeinflusst damit den Treibhauseffekt. Die Konzentrationen von Treibhausgasen in der Atmosphäre wie CO2, Methan und Lachgas sind in den letzten 200 Jahren stark gestiegen, was sich wissenschaftlich unzweifelhaft belegen lässt. Von vorindustriell ca. 280 ppm auf aktuell ca. 420 ppm. Auch die Ursache ist klar: CO2 resultiert vor allem aus dem Verbrennen fossiler Energieträger wie Kohle oder Erdöl. Methan und Lachgas sind überwiegend Nebenprodukte der modernen Agrarwirtschaft. Die starke Rodung der Wälder sorgt auch dafür, dass immer weniger CO2 durch Pflanzen absorbiert werden kann. Kein anderer natürlicher Faktor kann diese Veränderungen erklären.

Unter Expert*innen herrscht große Einigkeit: Bereits seit den 1990igern lautet der wissenschaftliche Konsens, dass die Klimaerwärmung der letzten 200 Jahre keine natürlichen Ursachen hat. Aktuelle Metastudien zeigen, dass 97-98% aller Klimaexpert*innen menschliche Aktivitäten als die Ursache der aktuellen Erderwärmung bezeichnen. Auch Wissenschafts-Akademien aus mehr als 80 Ländern und viele weitere Institutionen stimmen dem zu. Ein derartiger Konsens ist im wissenschaftlichen Bereich äußerst selten.

© Marcus Wadsak: CO2-Konzentration der letzten 800.000 Jahre

… die aktuelle Erwärmung hat extreme Folgen für Ökosysteme und die menschliche Gesellschaft.

Nun bekommt man vielleicht zu hören, dass die Erde doch auch in der Vergangenheit mit Klimaveränderungen zurechtgekommen ist. Was sollte an der aktuellen so schlimm sein? Lapidar könnte man antworten, dass der Planet Erde sehr gut mit Klimaveränderungen zurechtkommt, nur das Leben darauf leider nicht.

Die Gefahr der aktuellen Erderwärmung liegt vor allem in der rasanten Geschwindigkeit: 2023 lag die Konzentration von CO2 in der Atmosphäre bereits um 50% über dem Niveau vor der Industrialisierung, auch der Methan-Gehalt ist zweieinhalbmal so hoch. Prognosen über den zu erwartenden Temperaturanstieg bis 2100 liegen zwischen 1,6 und 4,7 Grad Celsius. Zur Einordnung: Eine vergleichbare Entwicklung gab es in den letzten 10.000 Jahren nicht.

Ein Blick in die Erdgeschichte zeigt auch, dass frühere extreme Klimaveränderungen, an die sich Flora und Fauna nicht schnell genug anpassen können, obwohl sie mitunter tausende von Jahren gedauert haben, bereits fünf Massenaussterben verursacht haben, also zum Zusammenbruch der damaligen Ökosysteme geführt haben. Experten sprechen davon, dass wir uns bereits mitten im sechsten großen Massenaussterben befinden. Das ist kein besonders rosiger Ausblick.

… nur wenn wir akzeptieren, dass der Mensch den aktuellen Klimawandel verursacht, sind wir auch handlungsfähig.

Nun zur guten Nachricht: Was der Mensch aktiv verursacht, kann er auch beeinflussen. Die aktuelle Klimaerwärmung ist kein Schicksal, sondern eine Entscheidung. Durch Zusammenarbeit von Ländern, Unternehmen und Institutionen sowie dem individuellen Beitrag jedes Einzelnen sind wir in der Lage die Erderwärmung zu verlangsamen und gleichzeitig Lösungen für jene Klimaveränderungen zu erarbeiten, die bereits nicht mehr zu aufzuhalten sind. Die Voraussetzung ist aber, dass wir unsere Rolle im Klimawandel erkennen und annehmen. Nur so bleiben wir handlungsfähig. Ergreifen wir jetzt keine Maßnahmen, wird die globale Erwärmung eine selbstverstärkende Erwärmungsspirale auslösen (auftauende Permafrostböden, verminderte Reflexion der abgeschmolzenen Eisflächen, etc).

Argumente zum Mythos #1 „Klimawandel gab es doch schon immer“ kurz zusammengefasst:

  • Ja, das Klima hat sich in der Geschichte der Erde durch natürliche Faktoren teils massiv verändert. Der Homo sapiens, der moderne Mensch hat aber bisher in günstigen, relativ konstanten klimatischen Verhältnissen gelebt und noch nie mit den Umständen, die drohen, auf uns zuzukommen.
  • Seit rund 200 Jahren dominiert der „Faktor Mensch“ mit der Verbrennung fossiler Brennstoffe die Veränderungen im globalen Klima. Wir stoßen zu schnell zu viel CO2 aus. Mehr als natürliche CO2-Speicher aufnehmen können. Unter Experten herrscht überwältigende Einigkeit darüber, dass der Mensch die aktuelle Erderwärmung verursacht. 97-98% der Klima-Expert*innen stimmen zu.
  • Das Problem ist, dass der Klimawandel ohne Gegenmaßnahmen extrem schnell voranschreitet und unsere Ökosysteme sich nicht anpassen können. Bis 2100, also in nur 80 Jahren, könnte die durchschnittliche Temperatur um bis zu +4,1 Grad Celsius steigen.
  • Unser wunderschöner Planet wird wohl auch eine solche Temperaturschwankung mit all seinen verheerenden Folgen überstehen. Die Menschheit war aber bei eine solch gravierenden Klimaänderung noch nie dabei.
  • Nur wenn wir verstehen und akzeptieren, dass der aktuelle Klimawandel kein natürliches Phänomen ist, können wir gegensteuern. Was hält dich noch auf?

It’s real, it’s us, it’s bad, experts agree, there’s hope!

Anthony Leiserowitz, Yale University

In diesem Sinne wünschen wir konstruktive Diskussionen!

Quellen:

  • Was wir heute übers Klima wissen – Basisfakten zum Klimawandel, die in der Wissenschaft unumstritten sind, Deutsches Klima Konsortium, September 2022
    https://www.deutsches-klima-konsortium.de/fileadmin/user_upload/pdfs/Publikationen_DKK/2022_basisfakten-klimawandel-web.pdf
  • So funktioniert der natürliche Klimawandel. Das Klima ändert sich auch ohne menschgemachtes CO2. Was ist der Unterschied zum heutigen Klimawandel?, Quarks.de, 25.07.2021
    https://www.quarks.de/umwelt/klimawandel/so-funktioniert-der-natuerliche-klimawandel/
  • Gibt es wirklich einen Klimawandel?, Helmholtz Klima Initiative, August 2021
    https://www.helmholtz-klima.de/klimafakten/behauptung-es-gibt-noch-keinen-wissenschaftlichen-konsens-zum-klimawandel
  • Der Klimawandel ist keine Glaubenssache, Universität-Hamburg, 27.09.2019
    https://www.uni-hamburg.de/newsroom/im-fokus/2019/09-27-klimaleugner.html#:~:text=Der%20Treibhauseffekt%20ist%20tats%C3%A4chlich%20ein,geh%C3%B6ren%20Kohlendioxid%2C%20Methan%20und%20Wasserdampf
  • Behauptung: „Das Klima hat sich immer schon gewandelt“, Klimafakten.de, Juni 2022
    https://www.klimafakten.de/behauptungen/behauptung-das-klima-hat-sich-immer-schon-gewandelt
  • Atmosphärische Treibhausgas-Konzentrationen, Umweltbundesamt, 20.03.2023
    https://www.umweltbundesamt.de/daten/klima/atmosphaerische-treibhausgas-konzentrationen
  • Die Geschichte des Lebens in einem Jahr, ZDF.de, 28.08.2016
    https://www.zdf.de/dokumentation/terra-x/die-geschichte-des-lebens-in-einem-jahr-102.html
  • Zu erwartende Klimaänderungen bis 2100, Umweltbundesamt, 28.11.2014
    https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/klimawandel/zu-erwartende-klimaaenderungen-bis-2100
  • Nach dem Weltuntergang, Spektrum der Wissenschaft, 02.07.2021
    https://www.spektrum.de/news/erdgeschichte-das-sechste-massenaussterben/1889650

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