Optimismusverzerrung

Warum wir die Klimakrise unterschätzen

Die Klimakrise ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit – und dennoch handeln viele Menschen, als wäre sie weit entfernt oder weniger bedrohlich, als Wissenschaft und Faktenlage es nahelegen. Ein zentraler Grund dafür ist die sogenannte Optimismusverzerrung (englisch: optimism bias, auch Optimismusfalle), eine kognitive Verzerrung, die unsere Wahrnehmung und unser Verhalten maßgeblich beeinflusst. Das Verständnis, das Erkennen und die Überwindung dieser evolutionären, eigentlich für eine andere Ära entwickelten – Verzerrungen sind unerlässlich, um wirksame Maßnahmen gegen die Klimakrise bzw adäquate Vorbereitungen für den Klimakollaps zu ergreifen.

„Optimismus erzeugt ein falsches Gefühl der Sicherheit, dass am Ende alles gut wird.“ – Paul Abela

Die Folgen des Klimawandels werden immer spürbarer, Prognosen immer düsterer. Dennoch leugnen, verdrängen oder verharmlosen die meisten Menschen die Krise. „Leugnen oder Herunterspielen der Klimakrise kann als psychologischer Schutzmechanismus betrachtet werden, der Menschen zumindest kurzfristig hilft, mit der emotionalen Überforderung und Angst im Angesicht des Klimawandels umzugehen. Als selbstwertstabilisierende Abwehrstrategien schützen sie dadurch das eigene Wohlbefinden.“ – Josephine Tröger in Klima, Kollaps, Kommunikation

Was ist die Optimismusverzerrung?

Die Optimismusverzerrung beschreibt die psychologische Tendenz, künftige Ereignisse positiver einzuschätzen, als sie wahrscheinlich eintreten werden. Menschen glauben häufig, dass sie oder ihre Gesellschaft weniger stark von negativen Ereignissen betroffen sein werden als andere – auch wenn objektive Hinweise das Gegenteil nahelegen. Im Kontext der Klimakrise bedeutet das: Viele gehen fälschlich davon aus, dass die schlimmsten Folgen des Klimawandels andere Regionen oder spätere Generationen treffen werden, nicht aber sie selbst oder ihr unmittelbares Umfeld.

„Der Optimismus tötet uns schneller, als es die Verleugnung je getan hat.“ – Angus Peterson

Psychologische Mechanismen hinter der Verzerrung

Die Optimismusverzerrung ist tief in unserem Denken verankert und wird durch weitere kognitive Effekte verstärkt:

  • Illusion der Kontrolle: Menschen überschätzen ihre Fähigkeit, Risiken zu vermeiden oder Probleme selbst zu lösen, etwa durch kleine Verhaltensänderungen wie zB Mülltrennung oder den Glauben an technologische Lösungen.
  • Bestätigungsfehler: Informationen, die den eigenen optimistischen Blick auf die Zukunft bestätigen, werden bevorzugt aufgenommen, während Warnungen oder negative Prognosen ausgeblendet oder als übertrieben abgetan werden.
  • Normalitätsverzerrung: Viele interpretieren selbst extreme Wetterereignisse als Ausnahmen und gehen davon aus, dass sich das Leben wie gewohnt fortsetzt.

„Optimismus und damit verbundenen positive Gefühle können in bestimmten Fällen als eine subtile Form der Leugnung betrachtet werden, insbesondere, wenn er dazu führt, die Ernsthaftigkeit oder Dringlichkeit der Klimakrise zu unterschätzen.“ – Josephine Tröger in Klima, Kollaps, Kommunikation

Folgen für das Klima-Handeln

Unrealistischer Optimismus hat gravierende Auswirkungen auf unser individuelles und kollektives Handeln:

  • Unterschätzung von Risiken: Studien zeigen, dass Menschen mit starker Optimismusverzerrung die Bedrohung durch den Klimawandel systematisch unterschätzen und sich selbst als weniger betroffen wahrnehmen.
  • Verschiebung notwendiger Maßnahmen: Der Glaube, dass „schon alles gut gehen wird“ oder dass technologische Innovationen rechtzeitig die Probleme lösen, führt dazu, dass dringend notwendige Veränderungen aufgeschoben oder gar nicht erst angegangen werden.
  • Politische und gesellschaftliche Lähmung: Optimismusverzerrung kann dazu führen, dass die Dringlichkeit der Klimakrise nicht erkannt und politische Maßnahmen verzögert oder verwässert werden. Besonders gefährlich ist dies, wenn sie in öffentlichen Diskursen und von Entscheidungsträger*innen strategisch genutzt wird, um Transformationen hinauszuzögern.

Optimismusverzerrung als systemisches Problem

Die Optimismusverzerrung wirkt nicht nur auf individueller Ebene, sondern durchdringt auch gesellschaftliche und politische Entscheidungsprozesse. Sie wird verstärkt durch einen öffentlichen Diskurs, der oft technologische Lösungen oder wirtschaftliches Wachstum als Allheilmittel präsentiert, ohne die Ursachen der Krise grundlegend anzugehen. In wohlhabenderen Gesellschaften ist die Verzerrung oft ausgeprägter, weil ein Gefühl von Sicherheit und Ressourcenverfügbarkeit vorherrscht.

„Während Optimismus auch als Motivationsquelle dienen kann, wird er zum Problem, wenn er als eine Art psychologische Abwehrstrategie eingesetzt wird, um sich der Realität und den notwendigen Maßnahmen zu entziehen.“ – Josephine Tröger in Klima, Kollaps, Kommunikation

Was hilft gegen die Optimismusfalle?

  • Realistischen Optimismus fördern: Es geht nicht darum, Hoffnungslosigkeit zu verbreiten. Sondern um einen „realistischen Optimismus“, der Risiken klar benennt und zugleich lösungsorientiert bleibt. Erfolgreiche Beispiele für Klimaschutz und Innovationen können motivieren, dürfen aber die Herausforderungen nicht kleinreden.
  • Gezielte Risikokommunikation: Studien zeigen, dass gezielte Kommunikation und Bildungsangebote helfen können, kognitive Verzerrungen zu verringern. Außerdem stärken sie das Bewusstsein für die Dringlichkeit der Klimakrise.
  • Kollektive Verantwortung betonen: Der Fokus sollte auf gemeinschaftlichem Handeln und systemischen Veränderungen liegen – individuelle Maßnahmen sind wichtig, reichen aber allein nicht aus.

Fazit

Die Optimismusverzerrung ist ein mächtiger psychologischer Mechanismus, der uns dazu verleitet, die Klimakrise zu verharmlosen und notwendige Veränderungen aufzuschieben. Wer die Klimakrise ernsthaft angehen will, muss sich dieser Verzerrung bewusst werden und ihr aktiv entgegenwirken – durch Aufklärung, realistische Kommunikation und gemeinsames Handeln. Nur so können wir verhindern, dass unser Optimismus zur Falle wird und uns die Zeit selbst für Anpassungsmaßnahmen und Vorbereitungshandlungen davonläuft.

Quellen:

  • https://www.wissenmachtklima.de/optimism-bias-optimismusverzerrung/
  • https://klima-kollaps-kommunikation.de/beitraege/zwischen-klimaangst-und-optimismus
  • https://www.transformatise.com/2023/03/why-optimism-bias-is-disastrous-when-it-comes-to-dealing-with-the-climate-crisis/
  • https://pollution.sustainability-directory.com/question/what-role-does-optimism-bias-play-in-climate-change/
  • https://www.geo.de/natur/nachhaltigkeit/der-seltsame-optimismus-von-klimaforschern-32707632.html
  • https://www.linkedin.com/pulse/we-wired-ignore-climate-change-strategies-overcome-our-atkinson-rzooc/
  • https://www.quarks.de/gesellschaft/was-bringt-es-optimistisch-in-die-zukunft-zu-schauen/
  • https://taz.de/Optimismus-in-der-Klimakatastrophe/!5949824/

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