Was bedeutet eigentlich … „Whataboutism“?

Gastbeitrag von Anna Pribil (Coaching Anna Pribil)

Whataboutism – darüber hört oder liest man in letzter Zeit häufig, aber was bedeutet es überhaupt genau und wie kann man damit umgehen, wenn man selbst davon betroffen ist?

Whataboutism = Ablenkungs- und Abwertungsstrategie

Whataboutism ist schlichtweg nichts anderes als eine Ablenkungsstrategie. Eine Ablenkung vom eigenen schlechten Gewissen, das durch eine Aussage, durch eine Handlung durch das schlichte Sein des Gegenübers ausgelöst wurde. Wenn diese Frage in einer kritischen Diskussion vorkommt, ist sie meist ein Totschlagargument. Aber jetzt einmal von vorne. „What about…?“ heißt nichts anderes als „Aber was ist mit …“. Solch eine Gegenfrage kann bei Diskussionen zu unterschiedlichen Themenbereichen gestellt werden. Doch besonders in Nachhaltigkeits-Diskussionen kommt Whataboutism mittlerweile häufig vor.

Diese Frage wird oft Menschen gestellt, die bereits nachhaltig leben. Menschen, die sich selbst nicht nachhaltig verhalten, kritisieren andere Personen, die bereits einen nachhaltigen Lebensstil umsetzen, aufgrund von Kleinigkeiten, die ihrer Meinung nach noch nicht perfekt nachhaltig sind.

Der Einkauf am Bauernmarkt mit dem Auto …

Anhand eines Beispiels wird die Bedeutung des Begriffes hoffentlich klarer und weil ich Whataboutism schon oft selbst erlebt habe, ist das Beispiel auch noch direkt aus meinem Leben gegriffen.

Vegetarier, die mit dem Auto fahren, das ist nicht nachhaltig!“

Ich lebe bereits einigermaßen nachhaltig. Ich fliege nicht mehr mit dem Flugzeug, esse kein Fleisch, vermeide Müll so gut es geht, kaufe second hand und habe meinen Konsum sehr beschränkt. Wenn ich mit Leuten ins Gespräch komme, höre ich sehr oft: „Ach, du lebst jetzt nachhaltig, aber was ist mit dem Auto vor deiner Tür?“

Warum kommt es zu Whataboutism?

Psychologisch betrachtet ist diese Reaktion ein Schutzmechanismus, um den eigenen Selbstwert nicht zu gefährden. Die Menschen wissen ja um den Klimawandel und dessen Folgen. Sie wissen auch, dass sie eigentlich selbst auch etwas beitragen sollten, um weniger CO2 auszustoßen und  Ressourcen auf der Erde zu schonen. Weil sie das aber noch nicht tun und ihnen durch die Person, die ihr Leben verändert hat, direkt vor Augen geführt wird, dass sie (noch) nichts beitragen, müssen sie sich schützen und rechtfertigen. Die einfachste Möglichkeit ist natürlich, die nachhaltig lebende Person abzuwerten, um den eigenen Selbstwert dadurch wieder aufwerten zu können.

Warum ist Whataboutism ein Problem?

Whataboutism bezeichnet somit Totschlagargumente in jeder Diskussion und unsachliche Kritik. Es werden meistens Menschen kritisiert, die sich für den Klimaschutz einsetzen, aber natürlich ist niemand perfekt. Es gibt immer Dinge, die man macht, die vielleicht nicht 100%ig nachhaltig sind. Trotzdem kommt die Kritik oft von Leuten, die gar nichts in Richtung Nachhaltigkeit bewegen. Sie selbst werden jedoch nicht kritisiert, denn sie haben ja nicht „Nachhaltigkeit“ auf die Stirn geschrieben.

Es klingt banal, ist aber wirklich ein Problem. Oft hat man dann nämlich das Gefühl, man braucht gar nicht erst beginnen, etwas zu ändern, denn alles kann man sowieso nicht richtig machen und dann lässt man es lieber gleich. Das wäre allerdings der falsche Weg! „Whataboutist*innen“ sind daher auch große Bremser für den ökologischen Fortschritt anderer, aber auch den eigenen.

Was kann man gegen diese Ablenkungsstrategie tun?

a) Für sich selbst:

Daher: Lasse dich nicht entmutigen! Niemand ist perfekt und es muss auch niemand perfekt sein. Umgekehrt ist es wichtig, auch mit anderen milde zu sein. Eine Person, die sich Gedanken um die Umwelt macht, sich engagiert, viel Zeit investiert, um die Welt besser zu machen ist wohl nicht diejenige, bei der jede andere Entscheidung kritisch beäugt werden sollte.

b) Um die Kommunikation allgemein zu verbessern.

Auch wichtig: Weise andere darauf hin, dass sie an „halbperfekte“ Menschen oder Unternehmen viel höhere Ansprüche stellen, als an „unperfekte“. Vielen ist dies nämlich gar nicht bewusst. Wir müssen lernen, anders miteinander zu kommunizieren. Manche machen es intuitiv richtig, andere brauchen einen Schubser.

Nachhaltige Veränderung

Denn jeder noch so kleine Schritt zählt. Also fangen wir gemeinsam an etwas zu ändern. Wenn du einmal begonnen hast, ist es wie eine Kettenreaktion und es ändert sich immer mehr, wie von selbst. Du musst nicht alles ändern, aber tue das, was du schon tust mit Begeisterung – und stehe auch zu deinen Schwächen. Nur dann bist du glaubwürdig und kannst auch andere überzeugen.

Um den inneren Widerstand zu überwinden, kann man sich als erstes etwas ganz Kleines vornehmen, was einem wirklich leicht fällt. Vielleicht schafft man jedes Monat eine kleine Veränderung. Nach einem Jahr hat sich dann doch schon viel getan, oder?

Hier eine kleine Liste mit Anregungen zur Veränderung:

  • Zu Ökostrom wechseln.
  • Nur mehr Leitungswasser trinken.
  • Haare mit Haarseife waschen.
  • Weniger mit dem Auto und mehr mit dem Rad fahren.
  • Regionale Lebensmittel einkaufen.
  • Bioprodukte einkaufen.
  • Unverpackt einkaufen.
  • Kleidung second hand kaufen.
  • Keine Alufolie und Frischhaltefolie mehr kaufen.
  • Stoffservietten statt Küchenrolle und Co.
  • Mit dem Zug in den Urlaub fahren.
  • Wäsche auf der Wäscheleine trocknen.

Suche dir nur eine Sache aus, die dir möglichst leicht fällt.

Wenn mir übrigens jemand die Frage mit dem Auto stellt, gehe ich meistens nicht in die Rechtfertigung. Denn ich muss mich vor niemandem für mein Auto rechtfertigen. Schon gar nicht vor Menschen, die jedes Jahr dreimal mit dem Flugzeug durch die Welt jetten. Je nach Stimmung, ob ich gerade Lust habe mit der/demjenigen eine ernsthafte Diskussion über Nachhaltigkeit zu führen oder nicht, sage ich verschiedene Dinge. Am einfachsten ist es zu lächeln und die Antwort: „Nobody is perfect!“ Wenn man zugibt nicht perfekt zu sein, es aber auch nicht sein will und schon gar nicht sein muss, beginnt man das Gespräch meist auf einer anderen Ebene, als wenn man versucht, sich für sein Verhalten zu rechtfertigen. Weitere wertvolle Tipps zu einem nachhaltigen Alltag findet ihr unter www.annapribil.com und auf meinem Instagram-Account bzw. meiner Facebook-Seite @anna.pribil.naturliebe!

Whataboutism gibt es natürlich auf allen Ebenen, positive Fortschritte von Unternehmen in die nachhaltige Richtung werden erniedrigt und kritisiert, dass sie noch nicht ganz perfekt sind. Schwarze Schafe dagegen, die sich um ihren ökologischen Abdruck Null kümmern, werden hingegen in Ruhe gelassen. Ihr merkt, woran es hier hakt und wozu das führen kann?

Zur Autorin:

Anna Pribil

Dieser Beitrag wurde von unserer Gastautorin & Psychologin Anna Pribil verfasst, die sich – seitdem ihre Tochter auf der Welt ist – ganz dem Thema Nachhaltigkeit widmet und sowohl für Private als auch Unternehmen Beratungen im Nachhaltigkeitsbereich anbietet.

Anna Pribil Coaching:
Webseitehttps://www.annapribil.com/
E-Mail: anna.magdalena.pribil@gmail.com
Instagramhttps://www.instagram.com/anna.naturliebe/
Facebookhttps://www.facebook.com/anna.naturliebe/

Dieser Artikel erschien erstmals am 25. Oktober 2020 und wurde zuletzt am 12.07.2022 aktualisiert.

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