„Es ist so einfach, in Graz müllfrei zu leben!“ Dieser Satz kam mir in den letzten Monaten immer wieder in den Sinn. Alles begann mit dem Wunsch, meine Dinge auszusortieren. Im Minimalismus fand ich Anregungen, wie ich meinen Besitz reduzieren kann und wie ich mich nicht gleich mit neuen Dingen zumülle. Diese Bewegung hat eine enge Beziehung zur Nachhaltigkeit. Die Minimalisten gehen sehr achtsam mit den Ressourcen der Welt um. Ihnen ist beispielsweise bewusst, dass jedes Baumwollkleidungsstück erst Unmengen an Wasser verbraucht und anschließend eine weite Reise macht, bis es im Kleiderschrank landet.
Bei einem Besuch in der Stadtbibliothek stieß ich auf das neue Buch von Sandra Krautwaschl: „Verschwendungsfreie Zone“ (2020) hat mich genau dort abgeholt, wo ich mich befand: Ich fühlte mich überfordert. Eine nachhaltige Lebensweise bedeutete für mich, vegan, autofrei, in einer Wohngemeinschaft mit eigenem Gemüsegarten zu leben und Urlaub zuhause zu machen. Nichts davon setzte ich um und allein die Vorstellung überforderte mich. Sandra Krautwaschl berichtet von ihren Anfängen, plastikfrei zu leben und wie dann schnell klar wurde, dass Einwegglas oder Papierverpackungen keine zufriedenstellende Alternativen sind. Noch während ich das Buch las, beobachtete ich, woher eigentlich mein ganzer Plastikmüll kam. Das Ergebnis meiner kleinen Studie war schockierend: Fast alle Lebensmittel, die ich besorgte, waren in Plastik verpackt und diese Verpackungen machten etwa 85% meines Abfalls aus!
„Jede_r, der etwas tun kann, sollte das auch tun.“ Dieser Satz wurde zu meinem Leitstern. Meine Überforderung war wie weggeblasen: Ich kann etwas tun! Bei meinem nächsten Einkauf ging ich auf der Suche nach plastikfreien Waren hochkonzentriert durch den Supermarkt. Ich wählte nur Obst und Gemüse, welches offen im Regal lag. Ich nahm mir Joghurt im Glas und verzichtete auf die Tiefkühlpizza. Schließlich wurde ich schwach, denn Fleisch gab es nur in Folie geschweißt. Der wöchentliche Einkauf war ein Kraftakt, bis ich die App „Nachhaltig in Graz“ installierte. Eine neue Welt tat sich mir auf: Alle Anbieter von nachhaltigen Waren in Graz werden darin vorgestellt. Mithilfe einer Landkarte und Kategoriepiktogrammen kann man nicht nur Märkte und Geschäfte ausfindig machen, sondern auch nachhaltige Dienstleister und Verschenkregale orten. Nach und nach erkundete ich Alternativen zu meinem Stammgeschäft und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus: Es ist so einfach geworden, in Graz zu leben und dabei Müll zu vermeiden!
Neben den Reformhäusern und Bauernmärkten gibt es auch zwei Unverpacktläden in Graz. Etwas schüchtern und mit Plastikdosen und Mehrwegbeuteln bewaffnet betrat ich „Das Gramm“ in der Neutorgasse und staunte schon wieder: Auf kleinstem Raum ist hier alles zu finden, was man für den täglichen Bedarf benötigt. Inklusive Zahnputztabletten und Haarseife! „Mammamia, Sachen gibts …“ und „Schade, dass ich das nicht schon viel früher entdeckte“, waren meine Gedanken auf meinen Touren durch die Stadt.
Ich erlebte die letzten Monate nie als Verzicht. Obwohl ich den Supermarkt nicht mehr betreten habe, fehlt es mir an nichts. Im Gegenteil: Ich musste keine Familienpackungen Zwetschgen mehr kaufen, wenn ich nur vier Stück naschen wollte. Und ich musste nicht mehr die ganze Woche Karotten essen, damit sie nicht schlecht werden. Außerdem liegt der Bauernmarkt viel näher als mein früherer Supermarkt. Den Müll muss ich kaum noch rausbringen, obwohl die Behälter dafür mittlerweile sehr klein sind.
Es braucht nur einen kleinen Prozentsatz an aktiven Idealisten in der Bevölkerung, damit sich ein gesellschaftlicher Wandel ereignen kann. Wissenschaftler geben einen Schwellenwert dieser als „kritische Masse“ bezeichneten Personen bei ca. 5-10% der Gesamteinwohner an. Ich lade dich ein: Starte einen Selbstversuch! Probiere spielerisch aus, was möglich ist und wähle dann jene Verhaltensweisen, die sich gut als neue Gewohnheiten in deinen Alltag integrieren lassen. Gemeinsam können wir Graz ein wenig müllfreier machen. Es ist so einfach, plastikfrei einzukaufen!
Parallel zur Umstellung auf meine neuen Einkaufsgewohnheiten bezüglich verpackungsfreier Lebensmittel erforschte ich spielerisch, was ich noch alles tun könnte, um meinen Müll zu reduzieren. Der zweitgrößte Posten nach den Lebensmittelverpackungen in meinem Hausmüll war Einwegpapier. Taschentücher, Küchenrolle und Klopapier sind selbst in recycelter Form eine große Belastung für die Umwelt. Zusätzlich entstand auch eine Menge Müll durch die Monatsblutung.
Die Umstellung auf Stofftaschentücher und Stoffküchentücher gelang überraschend einfach. Ich hatte Sorge wegen der Hygiene. Doch wenn man es hält wie mit den Einwegtüchern – einmal benutzen und gleich zur Schmutzwäsche – gibt es keinen Unterschied. Für den neuesten Hit, die „Po-Dusche“ sammle ich noch Mut, denn sie soll eine sanfte und saubere Alternative sein und den Klopapierbedarf spürbar reduzieren. In der Monatshygiene habe ich die Umstellung gewagt: Meine neue Menstasse und die waschbaren Slipeinlagen würde ich nie mehr zurücktauschen. Sie sind um ein Vielfaches praktischer und komfortabler.
Andere Gegenstände, die man zwar länger benützt, die am Ende aber doch im Müll landen kann ich nun zum Kompost geben oder im Garten vergraben, da sie zu 100% biologisch abbaubar sind: Backpapier, Bambuszahnbürste, Schwammtücher und Klobürste.
Als Konsumentin bin ich insgesamt wählerischer geworden. Mittlerweile hinterfrage ich auch bei jedem Kleidungsstück in minimalistischer Manier, ob es wirklich nötig ist, es zu kaufen. Und wenn ja: Wurde es fair und ökologisch produziert? In meinem Haushalt befinden sich immer noch viele Plastikwaren. Denn schlimmer als Plastik zu kaufen ist es, Plastik wegzuwerfen, wie Nadine Schubert und Anneliese Bunk in ihrem Buch „Besser leben ohne Plastik“ (2016) mahnen. Ich habe mir vorgenommen, alles aufzubrauchen und dann umzusteigen. Auf das Selbermachen von Deo und Geschirrspülmittel freue ich mich schon. Die Behälter dafür habe ich ja bereits und die Zutaten dafür gibt es im Dekagramm. Auch wenn es Putzmittel und Pflegeprodukte in nachhaltiger Form zu kaufen gibt: mein Spieltrieb lässt mich weiterexperimentieren.
Der größte Gewinn ist nicht das viele Geld, das ich mir durch die Umstellung auf eine müllvermeidende Lebensweise spare, sondern das gute Gefühl, das ich bei jedem Produkt habe: Ich unterstütze Bauern aus der Region, deren Waren eine kurze Lieferstrecke zurücklegen. Ich habe Omas alte Laken eigenhändig zu Taschentüchern recycelt. Die Stadtbibliothek bietet mir mehr Bücher, als ich je lesen kann.
Lass dich nicht von dem Begriff „Zero Waste“ abschrecken. Es ist ein Ausdruck für eine Lebensweise, die für alle möglich ist. Die Begriffe „Abfallvermeidung“ oder „Müllreduktion“ wären zu sperrig und mit „Zero Waste“ hat man ein Ideal vor Augen. Vielleicht haben wir auch bald einen neuen Begriff in unserem Wortschatz. Der Vorschlag eines Freundes: Minimüllismus. Dank der jahrelangen Vorarbeit von engagierten Menschen ist es wirklich einfach, bei einem Einkauf in Graz Müll zu vermeiden. Ihnen danke ich von ganzem Herzen.
Dies ist der erste Beitrag von Ida. Ida hat Anfang Februar 2021 den Online-Vortrag von Bea im Bildungsforum Mariatrost besucht („Vom Reden ins Tun kommen“) und sich daraufhin bei uns gemeldet. Seit einiger Zeit saugt sie alles zum Thema Nachhaltigkeit auf und will noch aktiver werden. Wir freuen uns, dass sie uns nun an ihrem Wissen und ihrer Begeisterung teilhaben lässt!
Weitere interessante Links:
- Verpackungsfrei einkaufen in Graz
- App „Nachhaltig in Graz“
- Facebook-Gruppe „Zero Waste Graz„
- Verein „Zero Waste Austria“
- Evelyn Rath mit „Vision Müllfrei“ berät Unternehmen und Private zum Thema Müllvermeidung
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Wie lustig…mich hat das Vorgängerbuch von Sandra Krautwaschl „Plastikfreie Zone“ genau da abgeholt, wo ich mich gerade befand und hat bei mir einen der ersten Steine losgetreten um mir eine nachhaltigere Lebensweise anzueignen.