Von Stadtbäumen und Blühwiesen

Bei einem spannenden Spaziergang unter dem Titel „Stadtbäume und Blühwiesen“ durch den neu entstehenden Stadtteil Smart City konnten die TeilnehmerInnen am 1. Oktober 2020 viel Interessantes und Neues erfahren.

Situation der Stadtbäume und der Plan für die Zukunft

Heutzutage wird uns angesichts der Klimaveränderung wieder bewusst, wie wichtig Bäume sind. Nicht nur weil sie Schatten spenden, sondern auch, weil sie durch Verdunstung des Wassers in den Blättern die Umgebung kühlen. Doch für die Stadtbäume sind es harte Zeiten.

Schädlinge und Krankheiten sind nur einige der Probleme, die Bäume unter Stress setzen: Hitze und Trockenheit im Sommer, Salzstreuungen im Winter und nicht zuletzt die vielen Hunde, die das Bein an ihrem Stamm heben. Im Untergrund finden die Wurzeln im verdichteten Boden allzu oft nicht ausreichend Platz, um gesund und hoch zu wachsen. Gleichzeitig gelangt das Regenwasser nicht mehr in genügendem Ausmaß bis zu den Wurzeln.

Science Tower Graz mit neu gepflanztem Christusdorn im Vordergrund

Kranke, klimagestresste Bäume werden umgeschnitten, nachdem die Abteilung für Baumschutz diese beurteilt hat. Es kann auch sein, dass die Erkrankung von außen noch gar nicht sichtbar ist, sie aber innen schon ganz hohl sind und viele Leute zu dem Urteil kommen, es werden gesunde Bäume umgeschnitten. DI Matthias Preinknoll (Abteilung für Grünraum und Gewässer in Graz) versichert uns jedoch, dass die Stadt Graz keinen einzigen Baum „einfach so“ umschneidet. Auch befallene Bäume werden teilweise stehen gelassen, bis sie nicht mehr verkehrssicher sind und werden dann durch Neue ersetzt.

Aber nicht nur kranke Bäume, auch Bäume, die „im Weg“ stehen, werden teilweise umgeschnitten, aber meist nicht umgepflanzt, da das Wurzelwerk sehr weitläufig ist und verletze Wurzeln sehr empfindlich und dann anfällig für Trockenheit und Sonnenlicht sind. Der Aufwand lohnt für die Stadt daher meist nicht, da auch das Überleben des Baumes nicht gesichert ist und mit großen Kosten verbunden ist. Leider ist aber auch nicht gewährleistet, dass ein kleiner, neu gepflanzter Baum jemals so hoch wird wie der Alte. Und es dauert …

Sicherung und Einschalen von Bäumen

Im Fall der Kastanienallee in der Waagner-Biro-Straße werden Schnurbäume nachgepflanzt werden, die sich bewährt haben, da sie salzverträglicher sind und sich auch besser dem derzeitigen Klima anpassen können

Auch die uns so vertrauten Kastanienbäume haben es schwer in der Stadt. Einerseits setzt ihnen ein Bakterium zu, andererseits die Miniermotte, die die Bäume befällt. So verlieren sie schon im Sommer teilweise ihre Blätter. Die Kastanie ist bei uns nicht heimisch, sondern wurde als Waschmittel und Pferdefutter bei uns eingeführt.

Zu ihrem Schutz werden über der Rinde Rohre und Hozbretter angebracht. Diese Konstruktion dient als Anfahrtsschutz (Baumaschinen, umgestürzte Zäune, angelehnte Fahrräder,…) bei jeder größeren Baustelle. Aber die mechanische Beeinflussung ist auch andernorts ein allgemein unterschätzter Stressfaktor, dem Bäume ausgesetzt sind, da sich die Flüssigkeiten und Nährstoffe in der Rinde befinden. Ein fingerbreiter Schnitt in der Rinde rund um den Baum reicht, um den Baum kaputt zu machen.

Das Schwammstadtprinzip (Stockholm-Prinzip)

Dieses System wird in letzter Zeit vermehrt in Graz eingesetzt, um an Stellen, wo an der Oberfläche und/ oder auch durch Leitungen im Untergrund wenig Platz bleibt, die Bäume zu unterstützen.

Hierbei werden unterirdische Schwämme geschaffen, indem im Untergrund ein Steinskelett aus großen Steinen, Holzkohle (kann viele Nährstoffe speichern) und Humus eingebaut wird. In den entstandenen Hohlräumen zwischen den Steinen bleibt genug Platz für Wurzeln und Wasser.

Regenwasser rinnt in die Hohlräume, wird hier gespeichert, und der Baum kann es sich langsam nehmen. Regenrinnen werden teilweise an das System angeschlossen und auch Wasser von Radwegen wird in diesen Schwamm eingeleitet und so für den Baum verfügbar. Damit wird zusätzlich der Kanal entlastet und geht bei Starkregen nicht mehr über, da das Wasser in den Schwämmen gebunden wird, gleichzeitig aber auch langsam abrinnen kann. 

Beispiele in Graz

Wer den Bäumen beim Wachsen nach dem Schwammstadtprinzip zusehen möchte, hat in Graz schon mehrere Gelegenheiten dazu:

Leonhardstraße: im Bereich der Haltestelle Reiterkaserne wurden Stadtulmen im Schwammstadtprinzip gepflanzt. Sie wachsen schneller, üppiger, gesünder. Ein paar Meter weiter unten zwischen parkenden Autos, anders gepflanzte Bäume: Es wird interessant zu beobachten, wie sich die Bäume entwickeln.

In der Eggenberger Allee auf Höhe der FH Joanneum, wo es nur einen schmalen Grünstreifen gibt, wurde unter der Straße und dem Radweg ebenfalls ein Steinskelett eingebaut.

Vor dem Hotel Lend stehen mehrere Christusdorn-Bäume, gepflanzt nach dem Schwammstadtprinzip.

Insgesamt wurden bisher über 100 Bäume im Stockholm-Prinzip eingesetzt. Größere Projekte sind für die nächste Zeit in der Smart City, auf den Reininghausgründen und am Bertha-von-Suttner-Platz geplant. Bei den Baumarten wird auf Vielfalt und auf Klimaverträglichkeit geachtet.

Treegator-Wasserversorgung

Wasser wird in den Sack gefüllt und tröpfelt nach und nach langsam in das Erdreich. Damit kann für den Baum eine konstante Bewässerung gewährleistet werden. Praktischer Zusatznutzen ist auch hier der Schutz vor Salz und Hundeurin.

Baumscheiben

Baumscheiben sind die Grünflächen rund um einen Baum. Auch hier wird durch die mechanische Belastung das Erdreich so verdichtet, dass es den Baum schädigt und Wasser selbst bei Starkregen nicht mehr für den Baum zugänglich ist. In der Smart City wurde begonnen, Blühwiesen rund um die Baumscheiben anzulegen.

Blühwiesen

Blühwiesen sind wichtig für die Bodendurchlässigkeit und dafür, die Artenvielfalt an Pflanzen und Tieren zu erhöhen. Interessanter Aspekt dazu ist, dass sich viele Tiere gerade in Städten halten können, da zum Unterschied dazu auf landwirtschaftlich intensiv genutzten Flächen keine Nahrung, Futter- und Nistplätze zu finden sind. Bei vielen, kleinen Blühwiesen in der Stadt entstehen damit Refugien für Insekten, Pflanzen und Kleintiere. Diese Wiesen werden nur im August und Oktober gemäht.

Es ist wichtig zu wissen, dass Blühwiesen sehr schön und artenreich blühen, in den Blühmischungen befinden sich weit über 100 verschiedene Arten. Da sie nur selten gemäht werden, müssen wir aber auch in Kauf nehmen, dass sie außerhalb der Blühzeit vielleicht ein wenig wild und ungepflegt erscheinen. Denn ein gepflegt erscheinender Golfrasen ist im Gegensatz zu einer Blühwiese ökologisch tot.

Nicht zuletzt ist es auch für die Stadt kostengünstiger, wenn nur zweimal im Jahr gemäht werden muss

Praktische Tools

  • GALK-Straßenbaumliste: für welchen Standort sich welcher Baum eignet. So kann ich den richtigen Baum gemäß meines Bodens auswählen. Bei großen, öffentlichen Projekten oder Wohnbauten schlägt das Stadtbaumamt geeignete Bäume vor.
  • BAUMnavigator: übersichtlicher und freundlicher gestaltet, finde ich dieses Tool zur Baumauswahl von „Natur im Garten“.
  • Baumkataster der Stadt Graz: hier finde ich adressgenau, wo welcher Baum gepflanzt bzw. „entnommen“ wurde und warum.
  • Google Lens: Pflanzen und Tiere identifizieren: Was ist das für ein Baum vor deinem Haus? Und was war das für ein Hund, den du da im Park gesehen hast? Google Lens verrät es dir. Auch für eine erfolgreiche Schwammerlsuche und -bestimmung gut geeignet.
  • PictureThis: funktioniert gut, um Pflanzen sofort zu identifizieren. Zusätzlich gibt es neben Beschreibungen und Tipps zur Pflanzenpflege auch wunderschöne Pflanzenbilder aus der ganzen Welt.

Noch ein paar Anregungen:

  • Schauen wir auf die Stadtbäume, indem wir ihnen Raum geben: kein Abstellen von Fahrrädern, kein Befestigen von Plakaten, kein Betreten der Baumscheibe; Hunde, vor allem von jungen Bäumen fernhalten, etc.
  • Für eine Blühwiese können wir auch einfach einen Teil der Wiese nicht mähen und schauen, wie sich die Wiese von sich aus entwickelt. Wer das zuhause ausprobieren möchte: Es wird händisch gemäht, das Mähgut nur 2-3 Tage liegengelassen und dann zur Seite geräumt. Also kein Mulchen und auch das Gras nicht liegen lassen, denn dann kommen wieder mehr Nährstoffe in die Wiese hinein und nichtblühende Pflanzen, die vorhin dort gewachsen sind, gewinnen wieder die Oberhand.
  • Gewöhnen an neue Ästhetik: wilde Blumenwiesen (auch wenn sie gerade nicht blühen) als lebendige, artenreiche, wertvolle Grünflächen wahrnehmen
  • Palmkätzchen von Weiden, die blühen, sind zwischen 1. Februar und 30. April geschützt und es dürften pro Tag nur maximal 3 Zweige mit einer maximalen Länge von je 50 cm abgeschnitten werden, da sie als Frühblüher wichtige Nahrung für Bienen und andere Insekten sind.

Grazer Baumschutzverordnung

Sie zielt darauf ab, jeden Baum zu erhalten, so gut und lange es geht. Das gilt für den öffentlichen, als auch für den privaten Bereich. Das Referat für Baumschutz muss jede Baumfällung genehmigen. Entweder wird Geld eingezahlt, mit dem ein neuer Baum gepflanzt wird oder man kann als Eigentümer selbst einen Ersatzbaum pflanzen. Leider wird hier nicht nach Größe oder Wert des Baumes beurteilt, sondern nur nach der Anzahl.
Baumschutz/ -fällung in Graz: Abteilung für Baumschutz

Geführt haben uns in den gemeinsamen Lebensraum von Mensch und Natur DI Matthias Preinknoll (Abteilung für Grünraum und Gewässer in Graz), Mag. Daniela Zeschko (Natur.Werk.Stadt) und DI Franziska Schruth (StadtLABOR Graz).


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