Wie verbaut ist Graz?

In den letzten Jahren wirkt Graz, zumindest in gewissen Vierteln, wie eine einzige riesige Baustelle. Die Stadt wird immer mehr zugebaut, „ungenutzte“ Flächen verschwinden bald komplett. 10 m² pro Stunde werden dabei täglich verbaut. Doch ist Bauen gleich Verbauen und welche Folgen hat die Verbauung für Umwelt, Stadtbewohner*innen und uns alle? Kann in Graz überhaupt von Urbanisierung gesprochen werden oder nur von simpler Verstädterung? Diese Fragen sollen in diesem kurzen Beitrag behandelt werden.

Bevölkerungswachstum fordert mehr Wohnraum

Das Hauptargument für die Verbauung ist das prognostizierte Bevölkerungswachstum der Stadt in den nächsten Jahrzehnten. Und tatsächlich sollen bis 2040 etwa 20 Prozent mehr Menschen in Graz wohnen als heute (Stand 2020: 291.072 EW). Die meisten Personen werden dabei aus der umliegenden Umgebung nach Graz ziehen, auch Graz-Umgebung soll sehr schnell wachsen. Theoretisch stimmt die Annahme also, dass immer mehr Wohnraum benötigt wird. Das Problem ist allerdings, dass viele dieser neugebauten Wohnungen einfach sehr teuer sind. Natürlich ist dies ein sehr individuelles Thema, manche zahlen gerne mehr für Komfort, Verkehrsanbindung, Infrastruktur, etc. Aber leider können sich nicht alle diesen Luxus leisten. Eine 60 m² Wohnung kostete 2020 im Durchschnitt 9,72 Euro pro m², 2016 lag der Durchschnitt noch bei 8,57 Euro. Hier handelt es sich aber um den Durchschnitt wohlgemerkt, in gewissen neugebauten Stadtteilen kostet eine 60 m² Wohnung schonmal gute 14 Euro pro m². Für junge Akademiker*innen oder Unternehmer*innen mag dies durchaus leistbar sein, aber was passiert mit dem Rest?

Nachhaltige Wohnungen

Ein durchaus nicht untypischer Werbespruch

So ziemlich alle dieser neugebauten Wohnungen werben mit Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Der öffentliche Verkehr wird ausgebaut, Grünflächen entstehen, Freiräume, Urban Gardening, Nachbarschaftscafés, etc. Am Papier klingt dies alles mehr als attraktiv. In der Realität stehen diese „Räume“ jedoch meist nur den Bewohner*innen zur Verfügung, eingezäunte Wohnungssiedlungen sind in Graz keine Seltenheit mehr. Und für diese neuen Grünflächen wurden vorher hektarweise andere Grünflächen verbaut. Nun, wer baut diese Wohnungen? Private Investor*innen und Immobiliengesellschaften sehen hier den idealen Markt. Grazer Immobilien werden gehandelt wie Waren, das Wohlbefinden der Mieter*innen, sowie die Umwelt stehen dabei einfach immer an zweiter Stelle. Gemeindewohnungen bzw. geförderte Wohnungen werden weniger, viele Menschen können sich diesen Wohnraum nicht mehr leisten. Gleichzeitig wird der Stadtkern, vor allem auf der rechten Murseite, immer „hipper“ und somit auch teurer. Hier überkreuzen sich soziale und nachhaltige Argumente, denn das meiste dieser Entwicklungen wird uns mit dem Adjektiv „nachhaltig“ verkauft, vieles davon ist es auch. Doch sind massive Verbauung von Grünflächen, Spekulation, hohe Mieten und „Aufwertung“ tatsächlich nachhaltiger als Renovierung, Förderung von Wohnraum oder gemeinsamer Nutzung von Räumen? Schreibt eure Meinung doch gerne in die Kommentare.

Arten der Verbauung

Neben diesen erwähnten Siedlungsflächen gibt es auch noch Straßenflächen oder Freizeitflächen. Natürlich nehmen alle Arten der Verbauung Raum ein, aber nicht jede Verbauung muss dramatische Folgen mit sich ziehen. Die Errichtung eines neuen öffentlichen Parks, der gepflegt und für alle zugänglich gemacht wird, darf schon mal eine „unversiegelte“ Fläche (unversiegelt ist zum Beispiel eine Wiese) in Anspruch nehmen, ein neues exklusives Sportzentrum sollte schon kritischer betrachtet werden.

Spielen erlaubt?

Die Anzahl von unversiegelten Flächen, aber auch Ackerland und auch von Freizeitflächen wird in Graz stetig weniger. Übrigens wird im Grundbuch bei Freizeitflächen nicht zwischen öffentlich und nicht zugänglich unterschieden. Das heißt, dass Schrebergärten, Schlossparks (z.B. Schloß Eggenberg), private Sportplätze/Spielplätze oder auch Kasernen gleichgesetzt werden mit öffentlichen Parks und anderen Erholungsgebieten. Oftmals kommt es gar nicht wirklich zur qualitativen Ergänzung und Erweiterung der Stadt (Urbanisierung), sondern zu einer quantitativen Verstädterung, vor allem in Randbezirken. Das ist schade, da die Stadt Graz so nie wirklich „wachsen“ kann.

Diese Tabellen zeigen recht gut, wie schnell Acker- und Freizeitflächen in Graz verschwinden. Bis zum Jahre 2050 sollen dann zusätzliche Flächen im Ausmaß von 2,65 km² (in etwa Innere Stadt plus St. Leonhard) versiegelt und verbaut sein. Dass es sich für gewisse Personen lohnt, diese Verbauung zu unterstützen, muss kaum erwähnt werden. Die Frage, die offen bleibt ist allerdings, ob uns der Preis für diese Versiegelung und Verwertung von meist absolut schönen Naturräumen wirklich wert ist.

Weiterführende Links:

© chr/KPÖ Graz

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