Warum Umweltbewusstsein oft dort endet, wo es unbequem wird
Hast du schon einmal vom Begriff „Not in my Backyard“ gehört? Es ist ein Phänomen, das wir vielleicht alle irgendwo in uns tragen, auch wenn wir es nicht immer zugeben wollen. Im Kern geht es darum, dass wir Maßnahmen des Umwelt- und Klimaschutzes zwar befürworten und auch davon profitieren wollen, aber nur solange es nicht unsere eigenen Lebensbedingungen beeinträchtigt und solange es weit weg genug ist. „Nicht in meinem Hinterhof“ bzw „nicht in meiner Nachbarschaft“.
Stell dir vor, deine Stadt plant den Bau eines Windparks, um saubere, regionale Energie zu erzeugen, unabhängig zu werden und den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Klingt großartig, oder? Aber was passiert, wenn dieser Windpark in deiner unmittelbaren Nachbarschaft gebaut werden soll? Plötzlich ändern viele ihre Meinung und protestieren dagegen. Warum? Weil sie befürchten, dass der Windpark ihre Aussicht verschandelt, den Wert ihrer Immobilien mindert oder gar gesundheitliche Risiken birgt. Das ist „Not in my Backyard“ in Aktion. „Dabei wird nicht nach einer für die Bevölkerungsgesamtheit optimalen Lösung gestrebt, sondern lediglich einseitig versucht, die Nachteile für sich selbst zu verhindern und auf andere Bevölkerungsgruppen abzuwälzen“, so Wikipedia zu NIMBY. In Österreich ist das auch als „Floriani-Prinzip“ bekannt.
Im Sommer 2023 ist in der obersteirischen Gemeinde Gaal ein geplanter Windpark am Widerstand der Bevölkerung gescheitert. Über zwei Drittel der Einwohner*innen hat sich in einer Befragung gegen die Errichtung von 8 Windkraftanlagen ausgesprochen. Diese hätten nachhaltigen, regionalen Strom für 30.000 Haushalte erzeugt. Erst im März 2024 wurde im Waldviertel mit fünf Volksbefragungen über 18 Windkraftanlagen abgestimmt. Nur drei von fünf Orten waren dafür (mehr dazu hier). Weitere Beispiele sind zB die nötige Verdichtung im städtischen Wohnbau. Oder es ist zwar bewusst, dass Fleischkonsum einen erheblichen ökologischen Fußabdruck hinterlässt. Aber wie viele sind bereit, auf ihr geliebtes Steak zu verzichten? Nicht viele, wenn es um die eigene Küche geht.
Es ist leicht, für Umweltschutz zu sein, solange es uns persönlich nicht betrifft und abstrakt genug ist. Doch sobald es konkreter wird, sobald es um unseren eigenen Komfort, unsere Gewohnheiten oder unseren Besitz geht, werden wir oft egoistisch und blind für die langfristigen Vorteile von umweltfreundlichen Maßnahmen. Wir sind selbst nicht bereit, einen Beitrag zur Transformation zu leisten, wollen aber schon davon profitieren. Siehe dazu auch den interessanten Beitrag unserer Kathi zur Trittbrettfahrer-Problematik.
Wie kann dieses NIMBY-Denken überwunden werden?
Bewusstsein schaffen für NIMBY
Alleine, dass wir die Hintergründe kennen, uns dieses Problem bewusst ist und wir es auch zugeben, kann helfen. Indem wir uns selbst und andere darauf aufmerksam machen, können wir das Bewusstsein für die Widersprüche in unserem Denken schärfen.
Informationskampagnen
Bildung ist entscheidend. Informationskampagnen können den Menschen dabei helfen, die Vorteile von umweltfreundlichen Projekten besser zu verstehen und mögliche Bedenken zu zerstreuen. Durch klare und verständliche Kommunikation können Fehlinformationen bekämpft und ein gemeinsames Verständnis geschaffen werden.
Langfristige Perspektive einnehmen
Wir müssen lernen, über unseren eigenen Tellerrand hinauszublicken und die langfristigen Auswirkungen unseres Handelns zu berücksichtigen. Ja, es mag unbequem sein, aber die kurzfristigen Opfer lohnen sich oft für eine nachhaltigere Zukunft.
Alternative Lösungen finden
Statt sofort „Nein“ zu sagen, sollten wir nach alternativen Lösungen suchen, die sowohl unsere Bedenken berücksichtigen als auch den Umweltschutz fördern. Vielleicht kann der Windpark anders platziert werden, um die Auswirkungen zu minimieren, oder wir können nachhaltigere Fleischalternativen entdecken, die genauso köstlich sind.
Kompensationsmaßnahmen
In einigen Fällen können Kompensationsmaßnahmen dazu beitragen, die negativen Auswirkungen eines Projekts zu mildern und die Betroffenen zu entschädigen. Dies kann beispielsweise die Bereitstellung von alternativen Lebensräumen für die Tierwelt, die Wiederherstellung von natürlichen Lebensräumen oder die finanzielle Entschädigung für entstandene Beeinträchtigungen umfassen.
Gemeinschaftliche Lösungen entwickeln
Zusammen können wir mehr erreichen. Indem wir uns mit anderen zusammenschließen und gemeinsam Lösungen erarbeiten, können wir das „Not in my Backyard“-Denken überwinden und positive Veränderungen in unserer Gemeinschaft bewirken. Und es muss uns bewusst sein, dass der nötige Wandel nicht 100%ig perfekt sein muss. Auch unsere gegenwärtigen Lösungen sind weit davon, perfekt zu sein, wir sind sie nur gewöhnt.
Ausreichende Information und Einbindung der Bevölkerung
Darüber hinaus können Projekte, die lokale Gemeinschaften einbinden und sie aktiv in den Planungs- und Entscheidungsprozess einbeziehen, dazu beitragen, das Vertrauen und die Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten zu stärken. Durch offene Kommunikation, Transparenz und die Berücksichtigung der Bedürfnisse und Anliegen der Betroffenen können Konflikte vermieden und Win-Win-Lösungen gefunden werden, die sowohl den Umweltschutz als auch das Wohlergehen der Gemeinschaft fördern.
Beteiligung und (finanzielle) Anreize schaffen
Wenn diejenigen, die von einem geplanten Projekt betroffen sind, auch direkt davon profitieren können, kann dies das „Not in my Backyard“-Phänomen erheblich abschwächen und eine breitere Unterstützung für umweltfreundliche Projekte gewonnen werden. Wenn beispielsweise eine Gemeinde plant, einen Windpark zu errichten, können die direkten Anwohner*innen finanziell davon profitieren. Sie können Anteile an dem Windpark kaufen oder eine Miete für die Nutzung ihres Landes erhalten. Je näher dran am Windrad, umso günstiger soll der eigene Stromtarif werden, umso mehr sollst du davon auch profitieren. Auf diese Weise wird das Projekt nicht mehr als eine Bedrohung für die eigene Lebensqualität wahrgenommen, sondern als eine Chance für wirtschaftliche Vorteile und eine nachhaltige Entwicklung in ihrer Region.
Durch direkte Teilhabe oder finanziellen Nutzen können die Betroffenen ein größeres Interesse daran haben, das Projekt zu unterstützen und die langfristigen Vorteile zu erkennen, die es für sie und ihre Gemeinschaft bringen kann. Dies kann dazu beitragen, die ablehnende Haltung gegenüber umweltfreundlichen Initiativen abzubauen und eine größere Akzeptanz und Unterstützung in der lokalen Bevölkerung zu schaffen.
Fazit
Insgesamt geht es darum, Verantwortung zu übernehmen und über unseren eigenen Komfort hinaus zu denken. Wenn wir unser Denken und Handeln ändern, können wir einen bedeutenden Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz leisten, nicht nur für uns selbst, sondern für zukünftige Generationen. Also lass uns gemeinsam daran arbeiten, das „Not in my Backyard“-Denken zu überwinden und eine nachhaltigere Welt zu schaffen!
Quellen:
- https://riscontrol.at/2023/09/11/kommentar/nimby-not-in-my-backyard/
- https://www.energie-klimaschutz.de/windausbau-der-wandel-von-nimby-zu-akzeptanz-ist-notwendig/
- https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/klimaschutz-sei-kein-nimby-sei-ein-nomp-kolumne-a-1245076.html
- https://de.wikipedia.org/wiki/NIMBY
- https://sustainable-entrepreneur.at/2023/08/26/nimby-not-in-my-backyard/
- https://noe.orf.at/stories/3248196/
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Das institutionelle NIMB ist leider auch das Recht der Nachbargemeinden die Errichtung zu verhindern. Es gibt ja auch Beispiele selbst für niedrige Solaranlagen.
Es sind auch „Pull“-Maßnahmen sinnvoll die für die Gemeinden-Einwohner wo Anlagen installiert sind (ganz-)billigen Strom zu verkaufen. Bei den steigenden Strompreisen sicher motivierend. Dann wird von sich aus jeder Bewohner auf Installationen drängen.