Klima-Update 25.10.2023

„Es ist die moralische Pflicht von uns Wissenschaftlern und unseren Institutionen, die Menschheit klar auf jede potenzielle existenzielle Bedrohung aufmerksam zu machen und Führungsstärke beim Handeln zu zeigen.“

Hier kommt unser Klima-Update vom 25.10.2023, mit Fakten, Infos & Geschichten als Einladung zu Information, Aufwachen und Handeln. Alle Folgen unserer Klima-Updates finden sich hier unter diesem Link. Wir sammeln für euch (fast täglich) die wichtigsten Themen rund ums Klima.

Ebenfalls mehr als nur einen Blick wert: unsere laufend aktualisierte Linksammlung zu vielen verschiedenen Medienberichten zu Klima, Energie und Nachhaltigkeit.

Heute gibt es nur zwei, dafür aber umso wichtigere Beiträge zum Klima-Update. Nur falls in den „normalen“ Tagesmedien darüber wie gewohnt nichts berichtet wird. Nehmt euch bitte die Zeit dazu, lest euch unseren Text durch oder klickt sogar die Links an und lest die Langversion – es zahlt sich aus. Jede PolitikerIn, jede JournalistIn, jede EntscheidungsträgerIn, jede und jeder sollte aufmerksam diesen Bericht lesen. Wenn hier JournalistInnen mitlesen, dann bitte bringt es in euren Medien! Es ist euer Job, die Alarmglocken zu läuten und der Öffentlichkeit zu sagen, was auf sie zukommt.

1. Klima-Wissenschaftler: „Wir haben Angst vor dem Neuland, das wir betreten“

Ein hochkarätiges internationales 12-köpfiges Wissenschaftlerteam, wie zB Johan Rockström, Leon Simons, William J. Ripple, hat einen wissenschaftlichen Artikel zum aktuellen Stand der Klimakrise verfasst: The 2023 state of the climate report: Entering uncharted territory

In bislang schärfster Form warnen sie davor, dass menschliche Aktivitäten die Erde in eine Klimakrise treiben, die in diesem Jahrhundert das Leben von bis zu sechs Milliarden Menschen gefährden könnte. Sehr lesenswert, sehr informative Grafiken. Ist auf Englisch, aber einfach via Übersetzer übersetzen lassen, wenn nötig.

Schlussfolgerungen

Seit mehreren Jahrzehnten warnen Wissenschaftler immer wieder vor einer Zukunft, die von extremen klimatischen Bedingungen geprägt ist, da die globalen Temperaturen aufgrund anhaltender menschlicher Aktivitäten, die schädliche Treibhausgase in die Atmosphäre freisetzen, steigen. Leider ist die Zeit abgelaufen. … Die Trends zeigen neue klimabezogene Rekorde aller Zeiten und zutiefst besorgniserregende Muster klimabedingter Katastrophen. … Im Jahr 2023 wurden wir Zeuge einer außergewöhnlichen Reihe klimabezogener Rekorde, die weltweit gebrochen wurden. … Es ist ein Zeichen dafür, dass wir unsere Planetensysteme in eine gefährliche Instabilität treiben.

Wirtschaft

Wirtschaftswachstum, wie es herkömmlicherweise angestrebt wird, wird es uns wahrscheinlich nicht ermöglichen, unsere sozialen, klimatischen und biologischen Vielfaltsziele zu erreichen. Die grundlegende Herausforderung liegt in der Schwierigkeit, das Wirtschaftswachstum von schädlichen Umweltauswirkungen zu entkoppeln (Abbildung 5a). Die Auswirkungen variieren stark je nach Vermögen; Im Jahr 2019 waren die oberen 10 % der Emittenten für 48 % der weltweiten Emissionen verantwortlich, während die unteren 50 % nur für 12 % verantwortlich waren (Chancel 2022). Wir müssen daher unsere Wirtschaft auf ein System umstellen, das die Befriedigung der Grundbedürfnisse aller Menschen unterstützt, anstatt übermäßigen Konsum durch die Reichen (O’Neill et al. 2018).

Gerechtigkeit

Die Auswirkungen des Klimawandels sind für viele bereits katastrophal. Allerdings breiten sich diese Auswirkungen nicht überall auf der Welt gleichmäßig aus. Stattdessen betreffen sie überproportional die ärmsten Menschen der Welt, die ironischerweise am wenigsten zur Entstehung dieses Problems beigetragen haben (Abbildung 5f; Harlan et al. 2015). Um sozioökonomische Gerechtigkeit und allgemeines menschliches Wohlergehen zu erreichen, ist es von entscheidender Bedeutung, weltweit eine Konvergenz des Pro-Kopf-Ressourcen- und Energieverbrauchs anzustreben. Dies bedeutet, auf ein ausgewogenes und gerechtes Niveau des Energie- und Ressourcenverbrauchs sowohl für den globalen Norden als auch für den Süden hinzuarbeiten (Hickel et al. 2021).

Schlussfolgerungen

Wir fordern einen IPCC-Sonderbericht, der sich auf die gefährlichen Klima-Rückkopplungsschleifen, Kipppunkte und – nur als Vorsichtsmaßnahme – das mögliche, aber weniger wahrscheinliche Szenario eines außer Kontrolle geratenen oder apokalyptischen Klimawandels konzentriert.

Die Auswirkungen der globalen Erwärmung werden immer gravierender und Möglichkeiten wie ein weltweiter gesellschaftlicher Zusammenbruch sind gegeben und gefährlich wenig erforscht (Kemp et al. 2022). Bis zum Ende dieses Jahrhunderts könnten sich schätzungsweise 3 bis 6 Milliarden Menschen – etwa ein Drittel bis die Hälfte der Weltbevölkerung – außerhalb der lebenswerten Region aufhalten und mit starker Hitze, begrenzter Nahrungsverfügbarkeit und erhöhten Sterblichkeitsraten konfrontiert sein (Lenton et al. 2023). Große Probleme brauchen große Lösungen. Deshalb müssen wir unsere Sicht auf den Klimanotstand von einem isolierten Umweltproblem hin zu einer systemischen, existenziellen Bedrohung ändern.

Obwohl die globale Erwärmung verheerend ist, stellt sie nur einen Aspekt der eskalierenden und miteinander verbundenen Umweltkrise dar, mit der wir konfrontiert sind (z. B. Verlust der biologischen Vielfalt, Süßwasserknappheit, Pandemien). Wir brauchen Maßnahmen, die auf die zugrunde liegenden Probleme der ökologischen Überschreitung abzielen, bei denen der menschliche Bedarf an den Ressourcen der Erde zu einer übermäßigen Ausbeutung unseres Planeten und einem Rückgang der biologischen Vielfalt führt (Abbildungen 5a, S5; McBain et al. 2017). Solange die Menschheit weiterhin extremen Druck auf die Erde ausübt, wird jeder Versuch einer reinen Klimalösung diesen Druck nur umverteilen.

Um der übermäßigen Ausbeutung unseres Planeten entgegenzuwirken, stellen wir die vorherrschende Vorstellung in Frage, dass endloses Wachstum und übermäßiger Konsum reicher Länder und Einzelpersonen nicht nachhaltig und ungerecht seien (Rockström et al. 2023).

Stattdessen plädieren wir dafür, den übermäßigen Ressourcenverbrauch zu reduzieren. Reduzierung, Wiederverwendung und Recycling von Abfällen in einer stärker kreislauforientierten Wirtschaft; und die Priorisierung des menschlichen Gedeihens und der Nachhaltigkeit. Wir legen Wert auf Klimagerechtigkeit und eine gerechte Verteilung von Kosten und Nutzen von Klimaschutzmaßnahmen, insbesondere für gefährdete Gemeinschaften (Gupta et al. 2023). Wir fordern eine Transformation der Weltwirtschaft, um das menschliche Wohlergehen in den Vordergrund zu stellen und für eine gerechtere Verteilung der Ressourcen zu sorgen (Hickel et al. 2021).

Wir fordern außerdem eine Stabilisierung und schrittweise Verringerung der menschlichen Bevölkerung mit Geschlechtergerechtigkeit durch freiwillige Familienplanung und durch die Unterstützung der Bildung und Rechte von Frauen und Mädchen, was die Geburtenraten senkt und den Lebensstandard erhöht (Bongaarts und O’Neill 2018). Diese umweltbewussten und sozial gerechten Strategien erfordern auf lange Sicht weitreichende und ganzheitliche Transformationen, die kurzfristig durch schrittweise, aber bedeutende Schritte erreicht werden könnten (d. h. radikaler Inkrementalismus; Halpern und Mason 2015).

Als Wissenschaftler werden wir zunehmend aufgefordert, der Öffentlichkeit die Wahrheit über die Krisen, mit denen wir konfrontiert sind, in einfachen und direkten Worten zu sagen. Die Wahrheit ist, dass wir schockiert sind über die Heftigkeit der extremen Wetterereignisse im Jahr 2023. Wir haben Angst vor dem Neuland, das wir jetzt betreten haben.

Die Bedingungen werden für große Regionen der Welt sehr besorgniserregend und möglicherweise unkontrollierbar werden, da im Laufe des Jahrhunderts mit einer Erwärmung von 2,6 °C zu rechnen ist, selbst wenn die selbst vorgeschlagenen nationalen Emissionsreduktionsverpflichtungen des Pariser Abkommens erfüllt werden (UNEP 2022b). ). Wir warnen vor einem möglichen Zusammenbruch natürlicher und sozioökonomischer Systeme in einer Welt, in der wir mit unerträglicher Hitze, häufigen extremen Wetterereignissen, Nahrungsmittel- und Süßwasserknappheit, steigenden Meeresspiegeln, mehr auftretenden Krankheiten sowie zunehmenden sozialen Unruhen und geopolitischen Konflikten konfrontiert sein werden. Es gibt bereits massives Leid aufgrund des Klimawandels, und wir haben inzwischen viele sichere und gerechte Grenzen des Erdsystems überschritten, was die Stabilität und Lebenserhaltungssysteme gefährdet (Rockström et al. 2023).

Da wir bald erleben werden, dass das angestrebte 1,5-Grad-Ziel des Pariser Abkommens nicht erreicht wird, kann die Bedeutung der sofortigen Eindämmung des Verbrauchs fossiler Brennstoffe und der Verhinderung jedes weiteren Anstiegs der globalen Erwärmung um 0,1 Grad nicht hoch genug eingeschätzt werden. Anstatt uns nur auf die CO2-Reduzierung und den Klimawandel zu konzentrieren, wird uns die Auseinandersetzung mit dem zugrunde liegenden Problem der ökologischen Überschreitung unsere besten Chancen geben, diese Herausforderungen langfristig zu meistern. Dies ist unser Moment, einen tiefgreifenden Unterschied für alles Leben auf der Erde zu bewirken, und wir müssen ihn mit unerschütterlichem Mut und Entschlossenheit annehmen, um ein Vermächtnis des Wandels zu schaffen, das den Test der Zeit bestehen wird.

2. Währenddessen werden in München Wissenschaftler verurteilt, weil sie auf die Klimakrise aufmerksam machen

Am 24.10.2023 hat das Landgericht München II vier Klimaaktivisten aus den USA und Italien für ihren friedlichen Protest gegen das Versagen der deutschen Politik angesichts der Klimakrise belangt. Obwohl der Richter den Vorwurf der Nötigung fallen ließ, wurden die Wissenschaftler wegen Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch zu je 210 Tagessätzen verurteilt, was einer Strafe von 1680 Euro entspricht.

Die Angeklagten argumentierten, dass ihre Aktionen notwendig waren, um eine drohende Klima- und Umweltkatastrophe zu verhindern, indem sie die Regierung unter Druck setzen, im Einklang mit internationalen Vereinbarungen und den Daten des Weltklimarats zu handeln. Diese zeigten die dringende Notwendigkeit auf, die Weltwirtschaft nachhaltig zu transformieren und die Gesellschaft so schnell wie möglich zu dekarbonisieren. Bei der Festsetzung des Strafmaßes, das niedriger ausfiel als angesetzt, berücksichtigte der Richter, dass das Hauptziel der Aktionen nicht darin bestand, Schaden an Privateigentum anzurichten, sondern auf die Klimakrise aufmerksam zu machen, die er als „größte Herausforderung für die Menschheit“ bezeichnete. Der Prozess war das erste von mehreren Gerichtsverfahren, die gegen die 16 Mitglieder von Scientist Rebellion angestrengt werden. Die Verfahren beginnen ein Jahr nach den Protesten der Akademiker, die dafür im vergangenen Jahr bereits 1 Woche in Untersuchungshaft saßen.

Was war geschehen?

Im Rahmen der Protestkampagne “Unite Against Climate Failure” hatten die 23-36 Jahre alten Naturwissenschaftler (Fächer: Physik, Umweltwissenschaften, Naturwissenschaften) im Oktober 2022 in München an drei Aktionen mit Einsatz von Kunstöl gegen die Investmentgesellschaft BlackRock, den Automobilhersteller BMW und die deutsche Regierung teilgenommen, die sie für die Klimakrise verantwortlich machen. „Wir befinden uns in einer für unsere Spezies äußerst gefährlichen Situation. Eine aktuelle Studie hat errechnet, dass eine Milliarde Menschen sterben werden, wenn wir die globale Erwärmung um mehr als 2 Grad überschreiten, während die Welt auf einen Temperaturanstieg von 3,2° bis zum Jahr 2100 zusteuert, was zum Zusammenbruch der Zivilisation führen würde. Als jemand, der die Wissenschaft versteht, habe ich die moralische Pflicht zu handeln, sagt Nate Rugh (USA), der über Dekarbonisierung forscht.

„Es gibt Momente in der Geschichte, in denen wir aufgerufen sind, eine klare Position zu beziehen. Dies ist der richtige Zeitpunkt.“

Wir haben unser Privileg als Wissenschaftler genutzt, um die Schönheit dieser Welt zu bewahren und auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen. Wir rebellieren für das Leben. Der Richter hat den Klimanotstand anerkannt, aber er hat trotzdem erklärt, dass er uns wegen der Beschädigung von Privateigentum verurteilen muss, da er offenbar Privateigentum höher bewertet als Leben„, sagt Lorenzo Masini, MsC aus Italien.

via @scientistrebellion_GER (Wissenschaftler*innen, die mit friedlichem zivilen Ungehorsam sofortige Sicherheitsmaßnahmen gegen die Klimakatastrophe fordern)

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Ein Kommentar:

  1. Tolle Homepage !!!

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