EU-Renaturierungsgesetz

Ein Meilenstein für den Naturschutz

Im Europäischen Parlament wurde am 12. Juli 2023 für ein EU-Renaturierungsgesetz (Nature Restoration Law) gestimmt. In dieser Verordnung geht es um die Wiederherstellung von zerstörten Ökosystemen, um sie vor dem drohenden Totalkollaps zu bewahren. Alle EU-Mitgliedstaaten sind nun verpflichtet, das kommende Gesetz im nationalen Recht umzusetzen. Im Herbst 2023 beginnen die Verhandlungen des EU-Parlaments mit dem EU-Rat und der EU-Kommission für den finalen Gesetzestext. Spätestens im Frühjahr 2024 soll es formuliert sein, bis zur tatsächlichen Umsetzung in den einzelnen Mitgliedstaaten kann es aber noch dauern.

Wiederherstellung von Ökosystemen

Mit dieser Verordnung wird erstmals die Natur als Ganzes in den Blick genommen. Bis 2050 sollen zerstörte Ökosysteme der EU wiederhergestellt werden oder zumindest unter Wiederherstellung sein, um deren Zusammenbruch zu verhindern und den weiteren Rückgang der Biodiversität aufzuhalten. Ein Zwischenziel bis 2030 soll sein, dass für 20% aller Meeres- und Landflächen bereits Wiederherstellungsmaßnahmen getroffen wurden.

Konkret geht es zB um

  • die Vernässung von trocken gelegten Mooren,
  • die Verbesserung von Böden,
  • die Renaturierung von Flüssen oder
  • die Aufforstung und den Umbau von Monokultur-Wäldern in vielfältige, widerstandsfähigere Mischwälder,
  • mehr Grün in den Städten.
  • Auch auf landwirtschaftlichen Flächen soll in Form von Blühstreifen mehr Platz für Biodiversität entstehen, aber auch
  • von einer Pestizidreduktion ist die Rede.

Das Gesetz wurde zwar auf den letzten Metern noch extrem abgeschwächt und einige Forderungen verwässert, aber es ist dennoch ein Gewinn für Klima- und Artenschutz. Bei den Verhandlungen über den finalen Gesetzestext kann und sollte nun noch nachgebessert werden.

Warum brauchen wir das EU-Renaturierungsgesetz?

Der Rückgang der Artenvielfalt ist dramatisch und gefährdet unsere Lebensgrundlagen. 81 Prozent der Lebensräume in der EU sind in einem schlechten Zustand, so ein Bericht der Europäischen Umweltagentur EEA. Mit dem Gesetz können wichtige Lebensräume für bedrohte Tier- und Pflanzenarten wiederhergestellt werden. Renaturierung ist weiters sowohl Klimaschutz- als auch Klimawandelanpassungsmaßnahme. Intakte Böden und Feuchtbiotope speichern zum Beispiel mehr CO2 und Wasser, ursprüngliche Flussbette sind widerstandsfähiger bei Extremwetterereignissen, usw.

Landwirtschaft – und damit konkret unsere Nahrungsmittelproduktion – braucht eine intakte und widerstandsfähige Natur, gerade in Zeiten des Klimawandels. Risiken für unsere Ernährungssicherheit müssen verringert werden. Ohne biologische Vielfalt im Boden und bei den Bestäubern keine Landwirtschaft und keine Ernte.

Ein Meilenstein für Natur- und Artenschutz, Ernährungssicherheit und im Kampf gegen die Klima- und Biodiversitätskrise.

Knappe Mehrheit in der Abstimmung

Zwar knapp aber doch: 336 zu 300 Stimmen, 13 Enthaltungen. Sozialdemokraten, Grüne und Teile der liberalen Parteien sprachen sich dafür aus. Auch Umweltschutzorganisationen, über 6.000 Wissenschaftler*innen und sogar einige Konzerne haben das geplante Gesetz als klug und vernünftig unterstützt. Rechte, konservative (darunter ÖVP und FPÖ) und auch einige liberale Parteien haben fast geschlossen GEGEN dieses wichtige Umweltgesetz gestimmt.

Widerstand und Fake News seitens der Europäischen Volkspartei (EVP)

Schon im Vorfeld gab es heftige Kontroversen, Negativkampagnen und auch Fake News seitens der stimmenstärksten Fraktion, der EVP. Im EU-Umweltausschuss im Juni 2023 wurde noch mehrheitlich gegen das Gesetz gestimmt. Christdemokrat*innen wechselten dafür extra Abgeordnete aus, die dafür stimmen wollten. Diese Möglichkeit gab es im Plenum des EU-Parlaments nicht mehr.

Gezielte Falschnachrichten waren zB dass Dörfer abgerissen werden müssten, um Moore wieder zu vernässen. Oder dass Wasserkraftwerke rückgebaut werden müssten. Oder auch der Zustand von vor 70 Jahren wieder hergestellt werden müsste. Alles nicht richtig! Ein weiteres – falsches – Argument dagegen war, dass behauptet wurde, die Landwirt*innen könnten nicht mehr genügend Lebensmittel produzieren, wenn Flächen renaturiert bzw geschützt werden müssen. Kurios: Straßenbau und Versiegelung verbieten, um genug fruchtbare Flächen zu haben? Nein! Naturschutz verhindern, weil wir sonst unsere Ernährung nicht sichern können? Ja!

6.000 Wissenschaftler*innen unterstützten das EU-Renaturierungsgesetz

Mehr als 6.000 unterstützende Wissenschaftler*innen der EU haben in einem offenen Brief alle Einwände widerlegt und betont, dass die größte Gefahr für die Lebensmittelsicherheit die Klimakrise, das Artensterben und der Verlust an Ökosystemen ist, nicht aber das Renaturierungsgesetz. Zudem wurde der konservativen Fraktion vorgeworfen, dass sie gegen alle wissenschaftlichen Erkenntnisse auftrete und das Gegenteil von dem behaupte, was das Gesetz erreichen würde. Denn durch die geplanten Renaturierungsmaßnahmen würde das landwirtschaftliche Mikroklima stabilisiert und der Ertrag dadurch wieder gesteigert werden können.

Auch beim Schutz der Meere behauptete die EVP Nachteile für Fischereibetriebe. Tatsächlich würde es allerdings wieder zu mehr Biodiversität und Brutplätzen und mehr Fischfang kommen. Außerdem machte die EVP ihren eigenen Wähler*innen auch Angst vor Enteignung und verbreitete die Falschinfo, dass Landwirt*innen gezwungen wären, zehn Prozent ihres Ackerlandes aufzugeben. Diese Bestimmung findet sich nirgends im Gesetzesentwurf. „Stattdessen soll bis 2030 erreicht werden, dass zehn Prozent der landwirtschaftlichen Fläche Merkmale großer Vielfalt aufweisen – etwa durch Hecken, Teiche oder Gräben, die die biologische Vielfalt erhöhen. Auch Obstplantagen oder extensive Weidewirtschaft können darunter fallen. Das Zehn-Prozent-Ziel bezieht sich auf ganze Mitgliedsstaaten. Einzelne Landwirt:innen verpflichtet das keinesfalls zur Aufgabe von Ackerland.“ (www.klimareporter.de)

Grund für den Widerstand der EVP beim Renaturierungsgesetz könnten vor allem die 2024 anstehenden EU-Wahlen sein und der Wunsch, bei der Kernwählerschaft zu punkten.

Fazit

In den letzten Jahrzehnten haben wir unsere Natur massiv zerstört und ausgebeutet, nun müssen wir sie auch wieder reparieren. Schluss mit unsinnigen Argumenten, dass Naturschutz und Nahrungsmittelproduktion nicht zusammenpassen. Ohne Natur und ohne Schutz der Natur keine Lebensmittel! Die natürlichen Ressourcen müssen geschützt und nicht ausgebeutet werden. Wir hoffen daher auf ein ambitioniertes Renaturierungsgesetz!

Quellen:

  • https://www.nabu.de/natur-und-landschaft/naturschutz/europa/33254.html
  • https://steiermark.orf.at/stories/3215614/
  • https://www.nachrichten.at/politik/aussenpolitik/eu-parlament-stimmt-fuer-gesetz-zu-renaturierung;art391,3860688
  • Instagram @greenpeaceaustria
  • https://www.moment.at/renaturierungsgesetz-fake-news
  • Offener Brief der 6.000 Wissenschaftler*innen: https://conbio.org/images/content_groups/Europe/Scientists_Support_SUR_and_NRL_Signatories5.7.2023.pdf
  • https://www.klimareporter.de/europaische-union/fake-news-gegen-naturschutz
  • https://www.klimareporter.de/europaische-union/europas-natur-immer-weniger-gut-erhalten

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