Der Normalcy Bias (Normalitätsverzerrung – wir haben hier bereits darüber geschrieben) und die Hypernormalisation sind zwei verwandte, aber doch unterschiedliche Konzepte, die in Krisensituationen ineinandergreifen können. Da es wichtig ist, diese Mechanismen zu erkennen und zu überwinden, haben wir uns hier noch einmal mit den wichtigsten Unterschieden aber auch Gemeinsamkeiten beschäftigt.
Kernunterschiede
| Aspekt | Normalcy Bias | Hypernormalisation |
|---|---|---|
| Ebene | Individuelle kognitive Verzerrung | Gesellschaftliches/Systemisches Phänomen |
| Mechanismus | Unterschätzung von Bedrohungen | Konstruktion künstlicher Realitäten |
| Ziel | Vermeidung von Stress durch Verdrängung | Aufrechterhaltung von Stabilitätstäuschung |
Zusammenhänge
- Krisenbewältigung durch Verzerrung:
Beide Konzepte beschreiben Mechanismen, um mit überwältigender Komplexität oder Bedrohung umzugehen:- Der Normalcy Bias führt dazu, dass Einzelne Warnsignale ignorieren (z. B. Evakuierungsaufforderungen bei Hurrikans).
- Hypernormalisation beschreibt, wie Institutionen oder Medien vereinfachende Narrative schaffen, um systemische Probleme zu vertuschen (z. B. das Festhalten an unwirksamen Pandemiemaßnahmen trotz evidenzbasierter Kritik).
- Wechselseitige Verstärkung:
In der Polykrise (gleichzeitige Krisen wie Klimawandel, Pandemien, Wirtschaftskollaps) können sich beide Phänomene verstärken:- Die kollektive Unterschätzung von Risiken (Normalcy Bias) schafft einen Nährboden für Hypernormalisation, da Gesellschaften Scheinlösungen eher akzeptieren.
- Umgekehrt stabilisieren hypernormalisierte Erzählungen (z. B. „Die Wirtschaft erholt sich schon von selbst“) den Normalcy Bias, indem sie komplexe Zusammenhänge vereinfachen.
- Folgen:
- Handlungsunfähigkeit: Sowohl Einzelne (durch Normalcy Bias) als auch Institutionen (durch Hypernormalisation) reagieren unangemessen auf Krisen.
- Vertrauensverlust: Wenn hypernormalisierte Narrative platzen (z. B. Bankenkrisen), verstärkt dies die individuelle Neigung, Bedrohungen zu leugnen.
Beispiel aus der Praxis
Während der Coronapandemie zeigte sich deutlich:
- Normalcy Bias: Viele Menschen ignorierten die Schwere des Virus („Das ist wie eine Grippe“).
- Hypernormalisation: Regierungen setzten teilweise auf symbolische Maßnahmen, statt strukturelle Probleme im Gesundheitswesen anzugehen.
Fazit
Beide Konzepte wurzeln in der menschlichen Tendenz, komplexe Bedrohungen zu vereinfachen – der Normalcy Bias auf psychologischer, die Hypernormalisation auf systemischer Ebene. In der Polykrise bilden sie einen Teufelskreis, der kollektive Lösungen blockiert und Krisen eskalieren lässt.
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Quellen:
- https://www.springerin.at/2018/1/hypernormal-hybrids/
- https://de.wikipedia.org/wiki/HyperNormalisation
- https://safereach.com/de/glossar/polykrise-definition/
- https://www.rifs-potsdam.de/de/news/roadmap-bietet-forschungs-und-aktionsplan-fuer-den-umgang-mit-polykrisen
- https://praxistipps.focus.de/hypernormalisation-bedeutung-und-definition-erklaert_182242
- https://www.risknet.de/wissen/glossar-eintrag/polykrisen/
- https://www.hadw-bw.de/junge-akademie/win-kolleg/komplexitaetsreduktion/polykrise
- https://www.clearerthinking.org/post/normalcy-bias-definition-examples-and-effects
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