Geplante Obsoleszenz

Die Strategie der Wegwerfgesellschaft

Hält dein Handyakku nach wenigen Monaten kaum mehr einen halben Tag? Kommt es dir auch so vor, dass Drucker fast schon billiger sind als Druckerpatronen? Sind deine Kopfhörer auch so schnell von „Sollbruchstellen“ betroffen? Das liegt nicht immer an selbstverschuldetem Verhalten und schlechter Behandlung. In vielen Fällen stecken dahinter eine durchdachte Marketingstrategie, die bewusst darauf setzt, dass Produkte „zeitgerecht“ kaputtgehen. Die Produkte sollen nur so lange halten wie nötig, aber auf keinen Fall so lange wie möglich. Dieses Phänomen der gewünschten schnellen Warenalterung nennt sich geplante Obsoleszenz.

Warum wird das gemacht? Um die Wirtschaft, die Nachfrage und den Verkauf neuer Produkte anzukurbeln. Denn nichts ist schlimmer für die auf ständiges Wachstum ausgerichtete Wirtschaft als Menschen, die ihre Geräte, Kleidung und alles was sie brauchen, ewig nützen. Also kaufen wir, werfen weg und kaufen neu, derweilen wir uns bereits gefährlichen Kipp-Punkten im Klimasystem nähern. Die geplante Obsoleszenz ist neben der Werbung und dem Kredit eine von drei Stützpfeilen der Wachstumsgesellschaft.

Was ist Obsoleszenz?

Hinter dem Wort Obsoleszenz (lat. obsolescere, etwa „in Vergessenheit geraten“) steckt im Grunde nur der wirtschaftliche Begriff für das Veralten von Produkten: der Verschleiß. Dies ist an sich noch nichts Ungewöhnliches und kommt vor, wenn z.B. ein Computer nicht mehr auf dem neuesten Stand ist oder wenn ein Gerät eben durch eine gewisse „natürliche“ Abnutzung kaputt wird und ausgetauscht werden muss.

Wird allerdings vorsätzlich auf diesen Verschleiß gesetzt, wird von „geplanter Obsoleszenz“ gesprochen – hier wird den Kund*innen bewusst etwas vorgemogelt. Leider ist dies meist nicht nachweisbar, weil eine Abgrenzung zum normalen Verschleiß nicht möglich ist. Denn elektronische Geräte werden auch immer günstiger und werden schneller ersetzt. Dies verlockt viele Hersteller dazu, noch günstigere Teile zu verwenden. Fehlendes Interesse kann da zwar schnell einmal unterstellt, böse Absicht aber schwer nachgewiesen werden.

Formen der Obsoleszenz

  • Werkstoffliche Obsoleszenz: Das Produkt oder auch nur (kleine) Teile des Produkts sind weniger leistungsfähig. Zum Beispiel der kleine Akku bei Smartphones oder Grafikkarten bei Laptops. Theoretisch kann man ja fast jedes defekte Gerät reparieren, dann müsste man es nicht austauschen. Im Zuge der geplanten Obsoleszenz sind die Geräte selbst dabei oft so gebaut, dass ein Austausch der Teile nur schwer möglich ist und lieber das ganze Gerät ersetzt wird. So sind viele Geräte heutzutage verklebt und nicht mehr verschraubt, sodass die Reparatur erschwert bzw unmöglich gemacht wird.
  • Funktionale Obsoleszenz: Entsteht durch Updates oder Neuerungen, die dann auf alten Geräten nicht mehr funktionieren und man dadurch zum Austausch gedrängt wird.
  • Psychologische Obsoleszenz: Modetrends und eine verbesserte Technik rufen den Wunsch hervor, dieses neue Gerät oder dieses neue Kleidungssstück zu kaufen, obwohl das alte Gerät noch funktioniert oder unser Kleiderkasten voll ist. Farben und Design werden häufig gewechselt, sodass alte und neue Produkte deutlich unterschieden werden können. Wir werden daher zur geplanten Obsoleszenz nicht genötigt, sondern verführt.
  • Ökonomische Obsoleszenz: Die Reparatur von kaputten Geräten ist oft annähernd so teuer, wie ein neues.

Historisches & Interessantes zur Obsoleszenz

Geplante Obsoleszenz gibt es schon länger. Erstmals erwähnt wurde der Begriff bereits in einem wissenschaftlichen Artikel im Jahr 1932. Denn die Automobilindustrie war damals schon mächtig: In den 1920er Jahren wurden gezielt Konsum-Strategien mit der Absicht eingeführt, dass alle drei Jahre ein neues Fahrzeug gekauft wird. General Motors setzte auf eine neue Design-Strategie, um den Konkurrenten Ford zu schlagen. Mit Erfolg: Das robuste aber wenig attraktive Ford T-Modell wurde 1927 vom Markt genommen. Ab diesem Zeitpunkt brachte auch Ford jedes Jahr neue Modelle auf den Markt.

Der bekannteste Fall der geplanten Obsoleszenz ist aber das Phoebuskartell von Genf. Glühbirnenhersteller aus aller Welt (wie zB Osram oder Philips) einigten sich 1924 darauf, die Lebensdauer der damals mit rund 2500 Stunden sehr lange brennenden Glühbirnen absichtlich, aber langsam und unauffällig auf rund 1000 Stunden zu verkürzen, um die Nachfrage zu erhöhen. Denn der Markt war damals bereits übersättigt. 1940 war das Ziel der 1000 Stunden Brenndauer erreicht und wurde den Konsumenten trotzdem als positive Leistung verkauft. 1942 flog das Kartell auf. Das Verfahren dauerte elf Jahren und endete in einem Verbot der Beschränkung der Lebensdauer. In der Praxis hatte das Urteil jedoch keine Veränderung zur Folge. Die Glühbirnen brannten auch weiterhin nicht länger.

Interessant: Seit 1901 hängt und brennt die selbe Glühbirne in der Feuerwehrstation von Livermore (USA, Kalifornien). 1895 wurde diese „Centennial Bulb“ mit einem sehr langlebigen Glühfaden erzeugt.

1940 wurden zum Beispiel langlebige Nylon-Strumpfhosen entwickelt. Der Verkauf stagnierte und die Lebenszeit der Strumpfhosen musste durch eine Veränderung der Zusatzstoffe wieder verkürzt werden. So gab es bald wieder Laufmaschen, schrittweise wurden sie immer empfindlicher.

Beispiele für geplante Obsoleszenz:   

Es gibt unzählige Produkte, bei welchen auf vorzeitigen Verschleiß gesetzt wird. Hier nur einige Beispiele aus dem Alltag:

Notebooks: Durchschnittliche Notebooks der gängigen Marktführer sind meist unmöglich selbst zu reparieren. Selbst in Garantiefällen wird selten repariert, sondern eher ersetzt. Einwegschrauben und Verklebungen sind gängige Mittel, um eine Reparatur zu erschweren.

Handys: Welche Gründe gibt es für einen vorschnellen Kauf eines neuen Handys? Der Akku ist fest verbaut und/oder nach Ladezyklen programmiert, der Handyvertrag bietet alle 2 Jahre ein günstiges Neugerät, das Update des Betriebssystems bremst das Gerät aus, das Neugerät sieht besser aus, Anschlüsse für Ladekabel passen nicht mehr, uvm

Überhitzung von Elektronikgeräten: Fernseher, Bildschirme etc. werden oft so gebaut, dass sie durch die ständige Überhitzung nach wenigen Jahren unbrauchbar werden. Alte Röhrengeräte hingegen, funktionieren meistens noch nach mehreren Jahrzehnten.

Kleidung und Schuhe: Billige Kunststoffsohlen, schlechte Baumwollqualität, etc. Jeans tragen sich mittlerweile sehr schnell „aus“. Schuhe sind oft nach einem halben Jahr nicht mehr tragbar. Das Schlimme daran: eine Reparatur ist meist unmöglich!

Zahnpasta: Oft werden die Öffnungen bei Zahnpastatuben bewusst größer gemacht, um beim täglichen Zähneputzen mehr Paste auf die Zahnbürste der Konsument*innen zu bringen.

Welches Beispiel fällt dir noch ein?

Strategien gegen geplante Obsoleszenz

Die beste Strategie für eine längere Lebensdauer wären gesetzliche Verankerungen. Zum Beispiel eine längere Garantie, die Bereitstellung von Ersatzteilen oder die Verpflichtung zu einer Mindestspanne von Updates. Das dauert wohl. Aber was können wir persönlich tun?

Weniger Konsum

Brauchen wir wirklich die neuesten Elektronikgeräte, die modernsten Kleidungsstücke und die schnellsten Autos? Tipp am Rande: Nur jene Produkte kaufen, die wir wirklich benötigen, denn das umweltfreundlichste Produkt ist jenes, das wir bereits besitzen.

Leihen statt kaufen, Sharing

Dies gilt für viele Dinge, die wir nicht täglich benötigen. Wie zB Carsharing, Werkzeug, oder auch das Teilen von Waschmaschine oder Rasenmäher. Es gibt vieles, das wir teilen könnten. Nützen statt besitzen.

Reparieren statt wegschmeißen

Ein wichtiger Schritt ist, dass man erstens darauf achtet, reparierfähige Produkte zu kaufen und zweitens dann im Ernstfall auch die Reparatur versucht. Frag bei Herstellern nach, ob sie auf die Reparierbarkeit achten, damit sie hören, dass dies vom Verbraucher gewünscht wird. Frag nach Ersatzteilen und versuche, das Gerät auch einmal selbst zu reparieren. Es gibt Do-it-yourself-Anleitungen zur Selbstreparatur im Internet (zB von iFixit) oder auch die Repair-Cafés, die dir dabei helfen können. Finanziell unterstützt wird das Reparieren auch, in Österreich zum Beispiel mit dem Reparaturbonus.

Das Recht auf Reparatur

Der Gegentrend zur geplanten Obsoleszenz ist die Recht auf Reparatur-Bewegung. Diese fordert eine gesetzliche Absicherung von Folgendem:

  • Zugang zu leistbaren Ersatzteilen
  • Zugang zu Ersatzteilen aus Altgeräten
  • Bereitstellung von Reparatur-Handbüchern
  • Bereitstellung von technischen Daten und Diagnosetools
  • Reparaturfreundliche Geräte

Qualität und langlebige Produkte kaufen

Wenn gekauft wird, dann sollte unbedingt auf die Qualität geachtet werden. Teuer ist zwar nicht immer besser, aber vor allem bei Notebooks gibt es oft einen drastischen Qualitätsunterschied im Preis. Qualitative Elektronikgeräte sind eben teurer als en masse produzierte „Billigprodukte“. Das Stichwort billig ist generell zentral, denn die Massenproduktion von Gütern aller Art macht es für den Hersteller oft unmöglich bzw. nicht rentabel, qualitativ hochwertig zu produzieren. Im Großhandel einzukaufen ist vielleicht billig und bequem, im Endeffekt profitierst aber nicht du, sondern Hersteller von Billigprodukten und Verfechter der Wegwerfgesellschaft. Wichtig ist es auch, Produkte aus wiederverwertbaren Materialien zu bevorzugen. Achte genau außerdem auf Prüfzeichen, Kundenbewertungen und Ratgeber.

Weitergabe von nicht mehr benötigten Dingen

Nicht alles was alt ist, muss gleich schlecht sein. Wenn dir deine alten Schuhe nicht mehr gefallen, gib sie jemanden, der oder die sie brauchen können. Geh auf Flohmärkte, beteilige dich an Tauschaktionen, besuche einen Kostnixladen und engagiere dich.

Kaufe Second Hand

Kaufe Altgeräte und wirke so der Konsumspirale entgegen. Wir haben sowohl über das Grazer Unternehmen Compuritas als auch über Refurbed berichtet.

Kaufe bei (kleinen) Händlern des Vertrauens vor Ort

… und nicht im anonymen Online-Handel. Denn diesen kleinen Händlern ist ein guter Ruf wichtig und sie setzen alles daran, Vertrauen aufzubauen und zu erhalten. Bevorzuge daher Akteure, die kollektives Interesse, Ressourcenschonung, Klimaschutz und zufriedene Kunden vor Profit stellen.

Ignoriere unnütze Trends

Setze deinen eigenen Trend, deinen eigenen zeitlosen Stil und sei stolz darauf!

Setz dich darüberhinaus ein!

Unterzeichne Petitionen, erhebe deine Stimme, kläre auch andere auf. Frage nach, fordere Langlebigkeit und setz dich gegen den Konsumwahn ein.

Würden wir die Lebensdauer aller Smartphones in Europa um nur ein Jahr verlängern, könnten wir damit jährlich 2,1 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Das entspricht einer Million Autos, die man von der Straße nimmt.

Dorothea Kessler (iFixit Europa)

Zum Schluss noch ein Tipp zu einer sehr sehenswerten Doku auf youtube:

Kaufen für die Müllhalde: Geplante Obsoleszenz – arte Thema vom 15.2.2011

Quellen:

  • https://de.wikipedia.org/wiki/Geplante_Obsoleszenz
  • https://www.focus.de/finanzen/praxistipps/geplante-obsoleszenz-das-steckt-dahinter_id_8318311.html
  • www.oeko.de/oekodoc/2326/2014-759-de.pdf
  • https://praxistipps.chip.de/geplante-obsoleszenz-das-steckt-dahinter_96676
  • https://www.careelite.de/geplante-obsoleszenz/
  • https://neofix.ch/blog/recht-auf-reparatur-5-gruende/
  • https://neofix.ch/blog/elektronik-kaputt-ursachen/

Weitere interessante Beiträge auf unserer Seite:

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Zu diesem Beitrag erfolgte das Konzept durch chr 2021, bearbeitet von bea am 30.12.2022

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