Brauchen wir bald keine Äcker mehr?
Die Weltbevölkerung wächst stetig an, doch unser Planet tut es nicht. Schon jetzt mangelt es oft an Ressourcen. Eine der wichtigsten Ressourcen ist Platz, den es nun gilt, richtig einzusetzen. Genau damit beschäftigt sich Urban Farming. Dieser Begriff ist nicht zu verwechseln mit Urban Gardening – das Gärtnern in der Stadt. Der Unterschied hierbei ist, dass Urban Gardening von Einzelpersonen im eigenen Garten betrieben wird. Es dient der Selbstversorgung mit frischem Obst und Gemüse. Urban Farming beschreibt im Gegensatz dazu den landwirtschaftlichen Betrieb im städtischen (urbanen) Bereich.
LANDwirtschaft in der Stadt?
Ein klarer Trend ist zu erkennen, wenn es um Lebensräume geht: Die Menschen ziehen in die Stadt. Immer mehr Hochhäuser und Wohnungen werden gebaut, in Graz entstehen ganze neue Stadtteile. Freiflächen, sowie landwirtschaftlich genutzte Äcker werden an die Stadtgrenzen zurückgedrängt. In riesigen Millionenstädten ist der nächste Acker weit entfernt. So kann es in Zukunft zu Lebensmittelknappheit kommen. Doch ist es nötig, Landwirtschaft und Stadt zu trennen? Nein!
Auch in der Stadt gibt es überall Plätze, die sich für Gemüsebeete eignen. Auf den Dächern von Hochhäusern ließe sich doch ein Hochbeet (im wahrsten Sinne des Wortes) errichten. Oder auch Innenhöfe, sowie Parkanlagen eignen sich dazu.
New York zeigt es vor: Die Brooklyn Grange ist das größte Urban-Farm-Projekt auf einem Dach. Auf über 6000 Quadratmetern wird Gemüse angepflanzt, das dann in den umliegenden Restaurants und Supermärkten verkauft wird. Kürzere Transportwege sind fast nicht möglich!
Schadstoffe im Salat
Wird das Gemüse nun mitten in der Stadt angebaut, stellt sich die Frage der Schadstoffbelastung. Wie gesund ist ein Salat, der neben einer vielbefahrenen Autostraße wächst?
In einer Studie der Technischen Universität Berlin wurde die Belastung an Schwermetallen in Pflanzen gemessen, die an verschiedenen Standorten im Berliner Stadtbereich gezüchtet wurden. Es stellte sich heraus, dass in der Biomasse von straßennah wachsenden Pflanzen deutlich erhöhte Konzentrationen von Schwermetallen zu messen sind. Je weiter weg das Gemüsebeet von der Straße, desto niedriger wird die Schadstoffbelastung. Gemüsegärten auf Hochhäusern sind demnach viel weniger belastet. Und schon eine einfache Abgrenzung von Straße zum Beet, wie zum Beispiel durch eine Mauer, wirkt sich positiv aus. Es wird im Moment noch nach guten Lösungen gesucht, wie Verkehr und Anbauflächen nebeneinander koexistieren können.
Das Beet im Keller
Um dem Problem mit der Schadstoffbelastung durch Abgase zu entgehen und auch unabhängig von Jahreszeit und Wetter zu sein, setzen manche Urban-Farmer auf den Anbau in geschlossenen Räumen. So werden Glashäuser auf Dächer gebaut. Aber auch Lagerhallen oder leere Kellergewölbe können als Anbauflächen umfunktioniert werden.
Jede freie Fläche soll genutzt werden, dieses Konzept verfolgt das Vertical Farming (Aeroponik). Hier werden Pflanzen in vielen Etagen übereinander aufgehängt und nicht in Erde eingesetzt. Die Wurzeln werden mit Nährstoffen bedampft. So wird effektiv an Platz, Wasser, aber auch an Pestiziden gespart, denn die Pflanzen können nicht in Berührung mit Schädlingen kommen. Der Ernteertrag kann auf bis zu 80 Prozent erhöht werden. Vertical Farming bietet also eine gute Lösung für Ernährungssicherheit genau dort, wo es in Zukunft schwierig werden könnte, an frische Nahrungsmittel ran zu kommen.
Aber…
Der Anbau von Pflanzen durch Aeroponik ist ein Energie-Fresser. Der Ökologische Fußabdruck einer Vertical Farm kann bis um den Faktor 1000 größer sein, als jener von herkömmlicher Agrarwirtschaft. Effektive Platznutzung hin oder her. Die Nutzung von 100% erneuerbaren Energien könnte hierfür die Lösung sein, doch bis diese 100% erreicht werden, dauert es noch ein bisschen… Außerdem ist der Betrieb einer Vertikalen Farm mit viel Logistik und hohen Anschaffungskosten für moderne Systeme in Verbindung zu setzen.
Andere Anbaukonzepte umfassen die Hydroponik, oder die Aquaponik. Bei ersterem wachsen Pflanzen in wassergefüllten Behältnissen in Gewächshäusern auf Dächern heran. Um diese Gewächshäuser zu beheizen, wird die Abwärme des Gebäudes genutzt. Bei der Aquaponik schafft man ein geschlossenes Kreislaufsystem, in dem Pflanzen mit Fischen in einem Ökosystem zusammenleben. Der Fischkot fungiert als Dünger für die Pflanzen und diese filtern das Wasser für die Fische. Ein Konzept, das schon seit hunderten von Jahren genutzt wird.
Viele Nutzpflanzen können durch diese Anbaumethoden im Stadtgebiet angepflanzt werden, doch nicht alle. Weizen zum Beispiel braucht das Wachstum im Boden. Doch genau Weizen ist eines der wichtigsten Grundnahrungsmittel. Sollte in Zukunft der Ackerplatz ausgehen und wir auf Urban Farming angewiesen sind, muss hierfür eine Lösung her.
Urban Farming in Graz
Die steiermärkische Landeshauptstadt zeigt: Urban Farming ist voll im Trend. Laut Stand des Frühjahres 2021 gab es um ein Drittel mehr Hobbyfarmer in Graz als das Jahr davor. Einen Beitrag dazu geleistet haben die Morgentau-Gärten. An drei Standorten (Mariatrost, Andritz und Straßgang) können sich Grazer seit 2018 eigene Parzellen mieten und selbst Gemüse anpflanzen.
In der Nähe vom Grazer Hauptbahnhof steht der Science Tower Graz, ein runder Turm mit 13 Etagen, in denen sich Büros befinden. Was man von außen nicht sieht: In der obersten Etage befindet sich ein Dachgarten mit 300 Quadratmeter, ganz nach dem Motto Urban Farming.
Zusammenfassend…
Ein riesiger Vorteil von Urban Farming sind die verkürzten Transportwege. Außerdem werden regionale Bauern unterstützt, freie Flächen werden genutzt und die Luftqualität in der Stadt wird durch die Pflanzen verbessert. CO2 kann aus der Luft gefiltert werden.
Doch nicht zu vergessen ist: Der Anbau unter Dach ist immer mit Energieverbrauch zu verbinden. Urban Farming ist eine gute Lösung für Landwirtschaft auf wenig Platz und Nahrungsmittelknappheit, doch um dabei den ökologischen Fußabdruck nicht zu vergrößern, muss der Energieverbrauch optimiert und Lebensmittelverschwendung verhindert werden!
Weitere interessante Links auf unserem Blog:
- Wissenswertes zum Forschungsprojekt CITY.FOOD.BASKET – Nachhaltige Warenkörbe – Dieser Beitrag hier erschien im Rahmen dieses Projektes
- Alles zu Urban Gardening
- Nahrungsmittel aus der Region (mit Listen zu Abhofverkäufen in Graz, zu Kisterl-Angeboten, Bauernmärkten, Automaten, uvm)
- Warum eigentlich bio?
- Warum eigentlich regional?
- Ursprungsbezeichnung „g.U.“ und „g.g.A“
- Das günstige Palmöl und sein hoher Preis
- Direktvermarktung in der Landwirtschaft
- Selber kochen – Gesundmacher und Klimaretter
Weitere Beiträge von Christina Volckmar „tina“ auf unserer Website:
- Selber kochen – Gesundmacher und Klimaretter
- Lebensmittelzusatzstoffe
- Urban Farming
- Faktencheck Kokosöl – (k)eine Alternative zu Palmöl?
- Greenwashing
Quellen:
- https://www.quarks.de/umwelt/landwirtschaft/so-sinnvoll-ist-gemuese-und-obst-vom-dach/
- https://www.realestate.bnpparibas.de/blog/trends/urban-farming
- https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0269749112000929?via%3Dihub
- https://grazer.at/de/dJGgtUFv/urban-farming-boomt-in-graz-30-prozent-mehr/
- https://www.morgentaugaerten.at/
- http://essay.utwente.nl/83529/1/Wildeman%2C%20R.%20_openbaar.pdf
- https://netzfrauen.org/2018/04/17/new-york/
- https://gartenbau.org/magazin/urban-gardening-201816443#Urban%20Gardening%20und%20Urban%20Farming
© Beitragsbild: Grafik by Christina Volckmar
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